Leute, die "nur so hypothetisch" sagen

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Das endlose Ausreizen des Unwahrscheinlichen lässt sich in Phrasen packen - nur so theoretisch.

Nur so hypothetisch, aber gehen Ihnen Leute, die „nur so hypothetisch“ sagen, nicht auch furchtbar auf die Nerven? Die einen, die es sagen, formulieren danach etwas ganz und gar Reales. Nur, dass sie mit der akademischer wirkenden Variante des „was wäre, wenn“ das Gegenüber in Sicherheit wiegen wollen. Oder die Redewendung, im Gegenteil, als Drohung einsetzen. Nur so hypothetisch, aber wäre doch schade, wenn Ihrer Katze etwas zustoßen würde. Die anderen wiederum spinnen dann die abstrusesten Gedanken, wollen den absonderlichsten Sonderfall, der eintreten könnte, detailliert besprechen. Nur so hypothetisch, also falls ein zweieinhalb Meter großer Zivilpolizist mit grüner Haut und einer Laserkanone plötzlich vor mir steht, mache ich mich dann wirklich der Beamtenbeleidigung strafbar, wenn ich mit dem Aufschrei „Oh, mein Gott“ die Tür vor ihm zuknalle? Darüber sollte man jedenfalls gesprochen haben, nicht auszudenken, wenn man auf diese Situation nicht ausreichend vorbereitet wäre. Kleiner Tipp am Rande – das endlose Ausreizen des Unwahrscheinlichen mit der Einleitung „Wie ist das eigentlich, wenn . . .“ ist auch nicht viel besser.

„Nur so theoretisch“, der kleine Bruder der hypothetischen Einschränkung, funktioniert übrigens nach dem gleichen Muster. Nur so theoretisch, also falls ich meinen günstigen Flug schon gebucht habe, bekomme ich dann eh genau in dieser Zeit Urlaub? Ja, eh. Nehmen wir einfach mal an, dass diese kleine rhetorische Finte augenzwinkernd zur Kenntnis genommen wird. Aber bleiben wir noch kurz beim Thema – nämlich dabei, dass ein Fall, der mit einem „nur falls“ angekündigt wird, definitiv eintritt. Und man bei der Verkündung der Nachricht am liebsten einfach verschwinden würde. Aber, nur mal angenommen, wenn ich mich selbst schlucken könnte, käme ich dann wieder aus mir heraus?

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2016)

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