Angst vor Terror reicht für Gratisrücktritt nicht

Symbolbild Strandurlaub
Symbolbild StrandurlaubClemens Fabry
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Die Rechtsprechung bewertet vereinzelte Anschläge oder Terrordrohungen nicht als höhere Gewalt, die Urlauber zu einem kostenlosen Rücktritt von ihrer Buchung berechtigen würde. Was zählt, ist die konkrete Gefährdung.

Angst vor Terror im Urlaub – kann der Reisende kostenlos umbuchen? Wo kann er ohne Terrorgefahr urlauben? Kann der Reisende stornieren, weil die islamischen Terrormilizen Anschläge auf volle Strände planen? Diese Fragen beschäftigen zur Reisezeit viele.

Grundsätzlich steht dem Reisenden nur bei einer erheblichen Gefährdung von Leib und Leben im Sinne einer höheren Gewalt das kostenfreie Rücktrittsrecht zu.

Höhere Gewalt ist dann anzunehmen, wenn Touristen in Urlaubsgebieten systematisch und zielgerichtet von Terrorgruppen als Zielscheiben benutzt werden oder eine akute Terroristendrohung vorliegt und wenn Terrorakte eine bürgerkriegsähnliche Intensität erreichen. Denn dann ist die Erheblichkeitsschwelle überschritten. Der Reisende muss also ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen, Ziel von Anschlägen zu werden, weil sich die allgemeine Terrorgefahr für die konkrete Reise erhöht hat.

Eine solche lag nach den Attentaten vom 11. 9. 2001 in den USA vor. Der OGH sah daher ein kostenloses Rücktrittsrecht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage als gerechtfertigt an (6 Ob 145/04y). Die Reise hätte nach dem Attentat beginnen sollen. Wesentlich war auch, dass der Tourismus gerade durch die Entführung von Zivilflugzeugen direkt betroffen war und dass kolportiert wurde, dass mit weiteren Anschlägen zu rechnen wäre.

Allgemeines Lebensrisiko

Vereinzelte Terroranschläge oder -drohungen bewertet die Rechtsprechung nicht als höhere Gewalt. Solche Attentate zählen zum allgemeinen Lebensrisiko des Reisenden, das sich auch in anderen Ländern, ja auch im Herkunftsland realisieren kann. Einzelne Anschläge in einem Urlaubsland lassen zumindest nach der bisherigen Judikatur noch keinen Schluss zu, dass sich dies auch in anderen Urlaubsgebieten wiederholen wird. Die Durchführung der Reise muss durch die Gefährdung bzw. die Gewalt beeinträchtigt werden. Es genügt daher nicht, dass irgendwo eine Bombe detoniert; vielmehr kommt es auf die konkrete Region an. Relevant ist auch, ob sich die Gewalt gegen touristische Ziele oder gegen die Staatsmacht richtet. Allerdings haben auch die massiven und gewalttätigen politischen Unruhen in Ägypten im August 2013 die deutschen Gerichte dazu veranlasst, ein Rücktrittsrecht wegen höherer Gewalt zu bejahen; diese Unruhen haben ein größeres Ausmaß erreicht und auch die Touristenzentren am Roten Meer erfasst.

In Kenntnis der Entwicklung von aus Sicht der Terroristen attraktiven Terrorzielen, insbesondere rund um Großereignisse, und der damit verbundenen Gefährdungsmöglichkeit von Reisenden wird bei einer Reise ein allfälliger Anschlag als Einzelakt Ausfluss des mit einer Reise verbundenen allgemeinen Lebensrisikos im Sinne der Rechtsprechung bleiben. Die Grenze, ab wann von einem bürgerkriegsartigen Zustand gesprochen werden kann, wird anhand der regionalen/örtlichen Ausweitung, der Art der Anschläge und Ziele sowie der abgegebenen Erklärungen der Attentäter zu ziehen sein.

Die höhere Gewalt darf jedoch nicht bei Vertragsabschluss bzw. Buchung vorhersehbar gewesen sein, was im Einzelfall zu prüfen ist.

Unterlässt ein Reiseveranstalter trotz Sachkenntnis und Informationsvorsprungs eine Aufklärung über die Situation im Urlaubsgebiet, wenn dort Terrorakte drohen und eine konkrete Gefährdung zu befürchten ist, kann das eine Verletzung der Informationspflicht darstellen. Den Veranstalter trifft jedoch kein Verschulden am Misslingen einer Reise durch einen Anschlag, wenn er keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für eine derartige Bedrohung hatte.

Eine Reisewarnung des Außenministeriums ist ein Indiz dafür, dass Gefahr für Leib und Leben besteht, sodass eine stornofreie Rücktrittsmöglichkeit zulässig ist.

Geänderte Geschäftsgrundlage

Angesichts der Ereignisse der letzten Jahre ist allerdings inzwischen überall auf der Welt ersichtlich, dass Gewalt sich auch gegen Unbeteiligte richtet und es zu Anschlägen auf Tourismuseinrichtungen und Flughäfen sowie in Ballungszentren kommen kann. Attentate und Anschläge erscheinen daher nicht unvorhersehbar, sodass die von der Judikatur entwickelte Figur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zur Rechtfertigung der Vertragsauflösung wohl ausscheidet. An die Unvorhersehbarkeit wird ein strenger Maßstab gelegt; letztlich kann in keinem Land mehr die Möglichkeit eines Terroranschlags völlig außer Betracht bleiben. Es wird daher im Einzelfall auf die Gefahrenlage zum Zeitpunkt der Buchung abzustellen sein, ferner werden die weiteren Entwicklungen bis zum Reiseantritt sowie der Umstand zu beachten sein, dass das Risiko von Anschlägen, welche vereinzelt und nicht in Form von Unruhen oder bürgerkriegsähnlichen Zuständen auftreten, ins allgemeine Lebensrisiko des Reisenden fällt.

Die bloße Angst vor möglichen Terroranschlägen reicht jedoch nicht aus und führt dazu, dass vertraglich vereinbarte Stornogebühren anfallen. Der Reisende hat zu beachten, dass eine Reiserücktrittsversicherung Angst vor Terror grundsätzlich nicht abdeckt. Einzelne Versicherungen gewähren aber bereits besonderen Versicherungsschutz, wenn die Reise durch Ereignisse, die die körperliche Sicherheit am Urlaubsort beeinträchtigen, gefährdet ist und das Außenministerium eine Reisewarnung für das Zielgebiet ausgesprochen hat.

Die Entscheidung, ob man eine Reise antritt oder nicht, kann niemandem abgenommen werden. Der OGH erachtet sie, auch wenn für den Einzelnen von Bedeutung, nicht als erhebliche Rechtsfrage, die von ihm zu beantworten wäre.

Dr. Eike Lindinger ist Rechtsanwalt in Wien und Autor des Buches „Wiener Liste zur
Reisepreisminderung“, das soeben in
3. Auflage bei Manz erschienen ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2016)

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