Ungarn: Aus dem Dornröschenschlaf erwacht

Hungary Training - EURO 2016
Hungary Training - EURO 2016(c) REUTERS (REGIS DUVIGNAU)
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Die einstige Fußball-Großmacht kehrt bei der Euro in Frankreich auf die große Fußballbühne zurück. Puskás und Co. sind unvergessen, die Schatten der Vergangenheit lang. Der aktuelle Aufschwung ist Balsam für die Fanseele.

Bordeaux. Der Fußball lebt von seinen Geschichten. Auch in Ungarn schwelgt man gern in Erinnerungen. Die Vergangenheit war glorreich, als Stammgast bei Weltmeisterschaften wurden Massen begeistert und Erfolge gefeiert. In den 1950er-Jahren staunte ganz Europa über ein Wunderteam, die „goldene Generation“ ungarischer Kicker. Die Helden von damals hießen Ferenc Puskás, Nándor Hidegkuti oder Sándor Kocsis. 31 Spiele in Folge blieb die Mannschaft unbesiegt, sie schien unschlagbar.

Einzig die Krönung blieb aus. Deutschlands 3:2-Sieg im WM-Finale 1954 ging als „Wunder von Bern“ in die Geschichte ein, für Ungarn ist es die Wunde von Bern.

Die Helden von heute heißen Gabor Király, Balázs Dzsudzsák und Zoltán Gera. Sie werden in vier Wochen aller Voraussicht nach nicht als große EM-Stars heimkehren, doch schon die Teilnahme an dieser Endrunde wird in Ungarn als Erfolg gewertet. Die Schatten der Vergangenheit sind immer noch lang, das Gespür des ungarischen Fans für Anspruch und Realität aber hat zugenommen.

Das Werk des Architekten

Erstmals seit der WM 1986 bestreitet Ungarn wieder ein Großereignis, der letzte EM-Auftritt liegt gar schon 44 Jahre zurück. Die diesmalige Qualifikation liegt der Uefa-Neuerung für die Euro 2016 und der damit verbundenen Aufstockung auf 24 teilnehmende Nationen zugrunde. Als Dritter in der Gruppe hinter Nordirland und Rumänien trafen die Magyaren im Play-off auf Norwegen und gewannen beide Spiele (1:0, 2:1). Teamchef ist mit Bernd Storck ein Deutscher, Co-Trainer Andreas Möller verbreitet Glanz. Der Architekt des Erfolgs aber ist Pál Dardai. Der Ungar, 40, formte die Mannschaft ab September 2014 bis zu seinem Abschied im Juli 2015 zu einer Einheit, gab ihr ein Gesicht. Seit vergangenem Sommer ist er erfolgreicher Trainer von Hertha BSC.

Storck verstand es, den von Dardai eingeschlagenen Weg fortzuführen, vertraute derselben Taktik und denselben Spielern – mit einer Ausnahme. László Kleinheisler, 22 und bei Werder Bremen Teamkollege von Zlatko Junuzović, gab unter Storck im November sein Debüt und erzielte den Siegtreffer in Norwegen.

Das Team der Magyaren steht in erster Linie für defensive Kompaktheit und Zweikampfstärke. Aus dem Kollektiv sticht ein Mann schon allein aufgrund seines Alters hervor. Torhüter Gábor Király ist mit 40 Jahren immer noch die Nummer eins.

Die vermeintlich größte Gefahr geht von Balázs Dzsudzsák aus. Den Linksfuß hatte bei PSV Eindhoven einst halb Europa im Visier, Dzsudzsák aber folgte dem Ruf des Geldes und wechselte für 14 Millionen Euro zu Anschi Machatschkala nach Russland. Mittlerweile steht der 29-Jährige in der Türkei bei Bursaspor unter Vertrag. Vor einem Jahr betrug seine Ablöse nur noch 1,8 Millionen Euro. Zoltán Gera gilt als einflussreicher Mittelfeldstratege. Spielt er gut, spielt meist die ganze Mannschaft gut. Ihrer Außenseiterrolle sind sich die Ungarn bewusst, der allgemeine Tenor lautet: „Österreich ist stark, aber Österreich ist nicht Deutschland.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2016)

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