Hundstorfer will Überstunden verteuern und bekämpfen

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Überstunden gefährden die Gesundheit, ergab eine Studie des Ifes. Daher will SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer ihre niedrige Besteuerung überdenken. Außerdem sollen durch weniger Überstunden Jobs geschaffen werden.

SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer möchte mit dem Abbau von Überstunden Jobs schaffen und die Arbeitslosigkeit verringern. Die Österreicher arbeiten im EU-Vergleich mit 42,9 Wochenstunden am längsten. Könnte man die durchschnittliche Arbeitszeit auf die in Dänemark üblichen 39,1 Stunden verringern, würden 84.000 neue Jobs entstehen, rechnete der Minister am Donnerstag in einer Pressekonferenz in Wien vor.

Land der Überstunden

Ein Viertel der unselbstständig Beschäftigten, 730.000 Menschen, leisteten im ersten Quartal 2009 Überstunden, und zwar im Schnitt je 8,5 Stunden pro Woche. Würde man alle geleisteten Überstunden (307 Mio. Stunden für das ganze Jahr) in Vollzeitbeschäftigungen (180.000) umrechnen, gäbe es in Österreich keine Arbeitslosigkeit mehr, so Hundstorfer, der gleichzeitig darauf hinwies, dass dies nur rechnerische Größen seien.

Hundstorfer könnte sich vorstellen, dass zehn Prozent weniger Überstunden geleistet werden. Außerdem soll die wöchenliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden "überdacht" werden. Auch freie Dienstnehmer sollen künftig an die Arbeitszeitgesetze gebunden sein. Ausdrücklich ist seine Initiative "kein Plädoyer für eine 35-Stunden-Woche".

Ein Viertel der Überstunden unbezahlt

Realistisch werde es immer Überstunden geben, und beim Abbau derselben sei mit einem Produktionsgewinn zu rechnen, sodass nur ein Drittel der verringerten Überstunden wieder beschäftigungswirksam werden. Ein großes Problem sei aber, dass ein Viertel der Überstunden nicht bezahlt wird - ein Problem, dem nicht mit Gesetzen beizukommen sei.

Minister gegen All-in-Verträge

Ein weiterer Dorn im Auge des Ministers sind "All-in"-Verträge. Das sind Verträge, bei denen eventuell anfallende Überstunden nicht gesondert entlohnt werden.  700.000 Menschen in Österreich hätten solche Vereinbarungen, die ursprünglich nur für Führungskräfte vorgesehen waren. Jetzt gebe es sogar "Portiere" mit All-in-Verträgen. Hundstorfer will diese Verträge wieder auf das ursprüngliche Zielgruppe reduzieren. Sollte es nicht anders gehen, will er das auch mit einer Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen erreichen. Derzeit habe er aber keine Handhabe, wenn sich Unternehmen und Arbeitnehmer einigen, räumt er ein.

Grüne: Höhere Sozialversicherung

Klaudia Paiha, Bundessprecherin der AUGE/UG - Alternative und Grüne Gewerkschafter - geht noch einen Schritt weiter: Arbeitgeber sollen für die Überstunden ihrer Mitarbeiter quasi bestraft werden. Die AUGE/UG fordert als erste Maßnahme gegen das Überstundenunwesen eine progressive Steigerung der arbeitgeberseitigen Krankenversicherungsbeiträge ab der 41. Wochenstunde: "Für jede zusätzlich geleistete Überstunde sollen die Krankenversicherungsbeiträge progressiv und deutlich steigen. Das macht Überstundenarbeit für Arbeitgeber unattraktiver und wäre ein wesentlicher Beitrag zur Finanzierung unseres Gesundheitssystems. Da lange Arbeitszeiten auf Kosten der Gesundheit und damit auch des Gesundheitssystems gehen, ist es nur gerecht, wenn höhere Beiträge geleistet werden", so Paiha

Einstellungszwang bei vielen Überstunden

Im Rahmen des Arbeitsrechts will die AUGE/UG Möglichkeiten schaffen, Unternehmen ab einem bestimmten Ausmaß von regelmäßig und dauerhaft erbrachten Überstunden, zur Einstellung neuer Arbeitskräfte zu verpflichten.

SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek kritisiert hingegen, dass der österreichische Arbeitsmarkt "tendenziell auf Überstundenleistungen aufgebaut" sei und Männer bevorzuge, da sie häufiger Überstunden leisten. Überstunden seien für die Karriere nötig, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschwere. Eine Verringerung der Überstunden würde daher auch zu einer gerechteren Verteilung von Arbeitszeit führen, hofft sie.

Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel verweist darauf, dass "überzogene Arbeitsbelastungen" zu massiven gesundheitlichen Problemen führten und "enorm viel Geld" kosteten. Abgesehen davon könne ein Abbau "chronischer Überstundenleistung" auch mehr Beschäftigung schaffen. Das wäre gerade in der Krise notwendig.

Überstunden gefährden Gesundheit

"Überstunden machen krank" fasst Georg Michenthaler vom IFES die Ergebnisse einer Umfrage im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich zusammen. Der erstmals veröffentlichte "Arbeitsgesundheitsmonitor" zeigt, dass Vollzeitbeschäftigte, die Überstunden leisten, alle abgefragten gesundheitlichen Beschwerden häufiger aufweisen als Menschen mit Normalarbeitszeit. Selbst bei Lohnverzicht würden drei Viertel von ihnen gerne weniger arbeiten, was nicht zuletzt daran liegt, dass ein Viertel der Überstunden nicht bezahlt wird - sich also für die Mitarbeiter nicht rechnet.

Zwei Drittel aller Überstunden-Leistenden klagen demnach über Rückenschmerzen, bei Arbeitnehmern ohne Überstunden sind es "nur" 49 Prozent. Erschöpfung - und Niedergeschlagenheit fühlen 57 Prozent der Mitarbeiter mit Überstunden und 39 Prozent der Mitarbeiter ohne Überstunden.

Aber auch allgemeiner befragt, geben Menschen, die Überstunden leisten, eine geringere körperliche Leistungsfähigkeit und eine schlechtere gesundheitliche Verfassung an. Es fällt ihnen wesentlich schwerer, nach der Arbeit abzuschalten, sie fühlen sich häufiger am Ende des Arbeitstages verbraucht. Die Belastung im Job - körperlich und seelisch - wird als intensiver empfunden. Die Zufriedenheit mit dem Job - inklusive Gehalt - ist niedriger, aber auch die Zufriedenheit mit dem Leben insgesamt sinkt mit den Überstunden.

Wer viel arbeitet, kann oft nicht mehr regenerieren, sagt dazu Michenthaler. Dabei hätten Arbeiter eher körperliche, Angestellte eher seelische Probleme. Menschen, die Arbeit haben, arbeiten zu viel und sind unzufrieden, warnt Michenthaler.

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(Ag./Red.)

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