Justiz-Akten: "Da beißt man sich als Minister die Zähne aus"

Maria Berger
Maria Berger(c) APA (Herbert Neubauer)
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Das ministerliche Weisungsrecht – neuerdings wieder wild umstritten – sei in Wahrheit völlig harmlos: Das sagen die beiden Vorgänger der jetzigen Justizministerin, Dieter Böhmdorfer und Maria Berger.

WIEN. Das ministerliche Weisungsrecht – neuerdings wieder wild umstritten – sei in Wahrheit völlig harmlos: Das sagen die beiden Vorgänger der jetzigen Justizministerin, Dieter Böhmdorfer (parteifrei, von Jörg Haider geholt) und Maria Berger (SPÖ), im „Presse“-Gespräch. Jede Weisung ergehe schriftlich und werde den Gerichtsakten beigelegt, womit sie den Parteien zugänglich sei, so Berger. Und wie Böhmdorfer erklärt auch sie, in ihrer Amtszeit keine politische Weisung erteilt zu haben. Es habe lediglich fachliche Weisungen der Sektion IV im Ministerium gegeben. Dabei sei es aber nur um rechtliche Details gegangen. „Das ist so was von nicht aufregend“, meint Berger. Da werde viel zu viel hineingeheimnist.

Aber was ist mit den im „Falter“ aufgetauchten Akten der Staatsanwaltschaft Klagenfurt (zum Ortstafelkonflikt), die den Anschein erwecken, als würde die Justiz die Verfolgung politisch heikler Fälle mit fadenscheinigen Begründungen aufgeben? „Es ist nicht meine Denkweise, aber nach üblichen politischen Denkmustern gedacht, wäre es doch eher unwahrscheinlich, dass ausgerechnet ich eine schützende Hand über Jörg Haider und Gerhard Dörfler gehalten hätte“, meint Berger, in deren Ministerzeit (2007 bis 2008) der Fall fiel. Staatsanwälte seien außerdem selbstbewusste, rechtlich gut abgesicherte Persönlichkeiten. „Da beißt man sich als Minister die Zähne aus, bevor die vor einem auf die Knie gehen.“

Sowohl Berger als auch Böhmdorfer weisen vehement von sich, dass die Justiz einen Unterschied zwischen Politikern und Normalbürgern macht. Übereinstimmung herrscht, dass Amtsmissbrauch eben ein besonders komplexer Straftatbestand sei.

Sakrosankt sei die Justiz aber klarerweise nicht, so Berger. Mit der Strafprozessordnung neu gebe es die Möglichkeit zum Fortführungsantrag in einem (eigentlich abgeschlossenen) Verfahren, der auch in Kärnten zur Anwendung komme. Streitparteien würden davon häufig Gebrauch machen. Böhmdorfer hält viel von dieser (noch von ihm initiierten) Reform, glaubt aber, dass das neue Gesetz nur schleppend bis gar nicht angenommen werde. Völlig undenkbar ist für ihn, was Berger (die ab Oktober EuGH-Richterin wird) vorschlägt: eine Generalstaatsanwaltschaft nach deutschem Vorbild. Böhmdorfer meint, die ministerliche Verantwortung dürfe nicht abgegeben werden.

Der Anwalt (und Minister von 2000 bis 2004) macht sich weniger um politische Interventionen Sorgen als um Verfahren, die zu wenig effektiv, zu wenig sachkundig und aus Überlastung zu wenig präzise seien. In schwierigen Wirtschaftskriminalfällen, etwa Anlegerschädigung, geschehe oft monatelang nichts, dann werde plötzlich abgehört und verhaftet. Mittlerweile seien Betrug, Veruntreuung, Diebstahl und anderes längst nur mehr Kleinkriminalität. Die wahre Herausforderung seien große Wirtschaftsverbrechen. Auf diese Veränderung im Strafrecht habe die Anwaltschaft, nicht aber die Staatsanwaltschaft reagiert: Letztere habe da großen Kompetenznachholbedarf, Personalstand und Sachverständigenwesen müssten ausgebaut werden. Und dann müsste es auch Fristen für die Verfahrenserledigung geben: „Wie kommen Firmen oder Personen dazu, dass sie manchmal jahrzehntelang nicht wissen, wie es um ihre Existenz steht? Ein unzumutbarer Zustand!“

Was die Causa Dörfler betrifft, meint Böhmdorfer hingegen, dass sich der Staatsanwalt nur „patschert“ ausgedrückt habe (Begründung für die Verfahrenseinstellung: Dörfler habe die strafrechtliche Tragweite nicht einschätzen können). Die Rechtsfrage bei den Ortstafeln sei tatsächlich so undurchsichtig, dass man nicht von wissentlichem Amtsmissbrauch sprechen könne. In der Begründung des Verfassungsgerichtshofentscheids stehe zwar eine Quote für zweisprachige Ortstafeln. Dort gehöre sie aber erstens nicht hin und zweitens sei der VfGH nicht Gesetzgeber.

Bandion-Ortner verteidigt Einstellung

Der frühere VfGH-Präsident Karl Korinek (in dessen Amtszeit das Urteil fiel) sieht das naturgemäß anders. Er hält die Argumente der Staatsanwaltschaft Klagenfurt für „unfassbar“. Dörfler hätte als damaliger Landesrat die Rechtslage kennen müssen. Die amtierende Justizministerin Claudia Bandion-Ortner verteidigte hingegen am Donnerstag die Einstellung des Verfahrens. Der Tatbestand des Amtsmissbrauchs sei nicht erfüllt gewesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2009)

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