Eisenerz: Die Jungen fliehen, die Hoffnung bleibt

Eisenerz
Eisenerz(c) Die Presse (Hoefler)
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Die frühere Bergbaustadt hat 58 Prozent ihrer Bewohner verloren.

Die Tristesse ist Stammgast. Denn obwohl viele Bürgerhäuser im Stadtkern von Eisenerz schön herausgeputzt sind, der zum Greifen nahe Erzberg mit seinen eindrucksvollen Pyramidenstufen protzt und die umliegenden Berggipfel eine wildromantische Kulisse abgeben, herrscht im Talkessel Friedhofsstimmung. Leere Schaufenster gähnen den wenigen Passanten entgegen. Am zentralen Bergmannsplatz stehen zwei Bäckereien leer. In den angrenzenden Gassen ist die Gastronomieszene verwelkt: Drei Gasthäuser sowie ein Kaffeehaus haben bereits zugesperrt. Auch eine Pizzeria wartet auf eine Nachnutzung.

Schon lange: Die Preise auf der vergilbten Speisekarte im Schaukasten neben der Türe sind noch in Schilling angegeben. Auch im aufgelassenen Nahversorger um die Ecke lugen unter der Staubschicht der im Schaufenster vergessenen Waschpulverboxen noch Preisschilder aus der Vor-Euro-Zeit hervor.

Eisenerz stirbt. Und das nach Plan. „Re-design“ nennt sich das mit öffentlichen Geldern finanzierte urbane Schrumpfungsprojekt. Vier Millionen Euro fließen binnen vier Jahren in ein gezieltes Verkleinerungs- und Nachnutzungskonzept einer von der Absiedlung rekordverdächtig getroffenen Gemeinde. 13.000 Einwohner hatte die traditionsreiche Bergbaustadt zwischen Eisenerzer Alpen und Hochschwab im Herzen der Steiermark einst. Heute sind es nur noch 5500.

„Schön langsam wird es dramatisch“, gibt Bürgermeisterin Christine Holzweber zu. Für die jüngste Hiobsbotschaft sorgte der Autoscheibenhersteller Pilkington, der sein Werk in Eisenerz schloss. 69 Mitarbeiter waren betroffen.

Feriendorf als Silberstreif

„Wenn die Jugend wegen der Jobaussichten geht, kann ich das verstehen“, sagt die Bürgermeisterin. Allein zwischen 2001 und 2008 gab es so ein Bevölkerungsminus von 16 Prozent. Selbst in einem von Abwanderung besonders betroffenen Bezirk wie Leoben (minus 4,4 Prozent) lag man damit im Spitzenfeld.

Zurück bleibt eine überaltete Bevölkerung – und ein zweifelhafter Rekord: Mit einem Durchschnittsalter von 52 Jahren ist Eisenerz Österreichs älteste Gemeinde. Ein florierendes Seniorenheim am Stadtrand ist Zeichen des demografischen Wandels.

Große Hoffnungen ruhen auf einem deutschen Investor, der aus Teilen einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung ein Feriendorf machen will. Zwar ist für das 20 bis 30 Mio. Euro schwere Projekt keine Entscheidung gefallen, weil sich ein paar wenige Mieter gegen eine Übersiedlung wehren. Aber noch dominiert in Eisenerz die Hoffnung. Es wäre wohl eine der letzten Chancen, dem Ort wieder touristisches Leben einzuhauchen. Eine andere vergab man schon vor Jahren: Das neue Familien- und Jugendgästehaus mit Kletterhalle und Veranstaltungssaal wurde fünf Kilometer außerhalb in der Ramsau errichtet. „Wir sind glücklich, dass wir es haben, aber es ist schade, dass es nicht im Ort ist“, bedauert die Bürgermeisterin: „Es würde Leben in die Stadt bringen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2009)

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