Ost-West-Konfrontation auf dem Fußballfeld

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Die Disziplinarkommission der Uefa hat Russland für Fanausschreitungen im Stadion von Marseille bestraft. Erst im Wiederholungsfall erfolgt der Turnierausschluss, eine Geldstrafe von 150.000 Euro wirkt kaum abschreckend.

Moskau. Für einige russische Fans gab es am Dienstag kein Weiterkommen mehr. Nach der Durchsuchung ihres Busses, der auf dem Weg nach Lille war, wollte die französische Polizei offenbar 50 Russen sofort abschieben. Alexandr Schprygin, Chef der Allrussischen Fangemeinde, kritisierte die Polizeiaktion als ungerecht, da sich unter den Betroffenen auch Frauen befänden, die an keinen Schlägereien teilgenommen hätten.

Nach den Ausschreitungen vom vergangenen Samstag und der Kritik an mangelnden Sicherheitsvorkehrungen ziehen die französischen Behörden offenbar Konsequenzen. Tags zuvor hatten die Behörden in Marseille von 150 gut vorbereiteten russischen Hooligans gesprochen. Die Antwort aus Moskau kam postwendend. Wladimir Markin, Sprecher des russischen Ermittlungsgremiums, twitterte: „Ein normaler Kerl, so wie er sein soll, ruft bei ihnen (den französischen Behörden, Anm.) Verwunderung hervor. Sie sind ja nur an ,Kerle‘ auf Gay-Paraden gewöhnt.“ Und Igor Lebedew, Duma-Abgeordneter und Vorstandsmitglied im russischen Fußballverband RFS, legte nach: „Ich sehe nichts Schlimmes in der Schlägerei der Fans. Im Gegenteil, unsere Jungs sind klasse. Weiter so!“ Schuld trage die französische Polizei, sie habe nicht ausreichend für deren Sicherheit gesorgt . . .

Mutko: „Den Behörden folgen“

Während dieses Statement darauf schließen lässt, dass nicht jeder russische Fußballfunktionär das Hooligan-Problem ernst nimmt, mahnte der unter Druck geratene Fußballverband die Anhänger der Sbornaja tunlichst zur Einhaltung der Gesetze beim heutigen Spiel gegen die Slowakei am Mittwoch: „Wir rufen euch auf, gegenüber dem Gegner und seinen Fans Respekt zu zeigen.“

Ein erneutes Fehlverhalten hätte nämlich nun drastische Konsequenzen: Die Disziplinarkommission hat Russland für die Fanausschreitungen im Stadion von Marseille verurteilt. Im Wiederholungsfall erfolgt der sofortige EM-Ausschluss (wenn man denn den Modus ändern wollte); zudem wurde eine Geldstrafe von 150.000 Euro verhängt.

Diese Warnung war deutlich, und postwendend appellierte Sportminister Witalij Mutko an die Fans: „Die Behörden Frankreichs haben ihre Anforderungen, denen muss man sich unterordnen, Dann läuft alles normal ab.“

Die EM entwickelt sich zusehends zur Bühne der Konfrontation zwischen Russland und dem Westen. Obwohl Russlands Chancen, die EM zu gewinnen, gering sind, so trugen die Hooligans – aus ihrer Sicht – einen symbolischen Sieg davon. Im Internet brüsteten sie sich damit, die „weichen“ Engländer nach dem 1:1 in die Flucht geschlagen und ihre Fahnen entwendet zu haben. In staatlich kontrollierten Medien wird die Uefa-Strafe als Ungerechtigkeit dargestellt – ähnlich wie bei den Dopingvorwürfen wähnt man sich in diesen Foren als Opfer des Westens.

EM wird in Russland populär

Während die Befürchtung weiterer Ausschreitungen in Lille weiterhin ansteigt, ist in Russland das Fußballfieber ausgebrochen. Die Randale haben das Thema interessanter gemacht, Public Viewing auf öffentlichen Plätzen ist im Land zwar nicht verbreitet, es gibt aber viele Cafés und (Sport-)Bars, die die EM-Spiele übertragen.

Europameister wurde die UdSSR 1960, 1988 verlor man im Finale, 2008 reichte es für das Halbfinale, 2012 war in der Vorrunde Endstation. Bislang qualifizierte sich Russland für drei Weltmeisterschaften (1994, 2002, 2014) – in der Gruppenphase kam stets das sportliche Aus. Nun bestimmen auch Hooligans das sportliche Schicksal der Sbornaja.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2016)

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