Österreich verlor das erste Gruppenspiel gegen Ungarn mit 0:2 und musste nach Gelb-Rot gegen Dragovic die letzten 25 Minuten in Unterzahl agieren. Gegen Portugal steht die ÖFB-Elf bereits unter großem Druck.
Mit der Qualifikation für die Europameisterschaft ging nicht nur für Österreichs viele Jahre erfolglosen Fußballer ein Traum in Erfüllung. Tausende Fans des Nationalteams hatten sich in den vergangenen Tagen auf den Weg nach Bordeaux gemacht, sie alle wollten Zeugen dieses besonderen Spiels werden. Etliche nahmen die Reise im Auto auf sich, die meisten per Flugzeug. Allein Dienstagmorgen verließen sieben Chartermaschinen den Flughafen Schwechat gen Bordeaux, das am Spieltag bereits in den Vormittagsstunden einer großen Fanzone glich.
Anhänger beider Mannschaften versammelten sich in Cafés und Bars. Sie tranken Bier in großen Mengen, verstanden es aber, ihr gutes Benehmen nicht zu verlieren. Vor der Brasserie L'Orléans sangen österreichische und ungarische Fans friedlich Seite an Seite. Es waren Szenen, so schön wie manches Traumtor, speziell nach den schrecklichen Vorfällen der vergangenen Tage in Marseille.
„Österreich, Österreich!“
Um 16.29 Uhr fuhr der Mannschaftsbus der Österreicher auf regennasser Straße in die Katakomben des Stade de Bordeaux. Zu diesem Zeitpunkt standen die ungarischen Spieler in ihren schicken Anzügen schon auf dem Rasen, schnupperten ein wenig Stadion-Atmosphäre. Die Euro, sie war nun zum Greifen nah. Im 137. Aufeinandertreffen der beiden Teams genoss Österreich in Frankreich leichten Heimvorteil. Wien-Leopoldstadt, Schwechat, Villach, Pielachtal, Atzgersdorf - überallher waren sie gekommen, um hier in Bordeaux ihre Fahnen zu schwingen und Transparente auszurollen. Als Rainhard Fendrichs „I am from Austria“ aus den Lautsprechern ertönte, wähnte man sich endgültig im Wiener Happel-Stadion.
Mit einminütiger Verspätung, um 18.01 Uhr, war es dann endlich soweit. Der Tag X, das erste Spiel bei dieser Euro, war gekommen. Der Anpfiff glich einer Erlösung. Und den Österreichern fehlten nur Zentimeter zum Traumstart in dieses Turnier, als David Alaba nach 31 Sekunden die Stange traf. Es ging ein Raunen durch den rotweißroten Fanblock, gefolgt von lauten Anfeuerungsrufen: „Österreich, Österreich!“ Die Mannschaft verstand die Aufforderung, bestimmte weiter Spiel und Tempo. Alaba (10.) prüfte in der zehnten Minute nach feinem Zuspiel von Arnautovic Goalie-Legende Gábor Király. Es blieb die letzte Chance für längere Zeit.
Beide Teams neutralisierten sich durch ein hohes Laufpensum, es waren kaum Freiräume vorzufinden. Auch deshalb, weil sie nicht geschaffen wurden. Es fehlte an besonderer Kreativität und Präzision. Gegen Ende der ersten Halbzeit gewann das Spiel dann doch an Attraktivität. Zunächst prüfte Junuzovic Király (35.), etwas später fand der nach wie vor formschwache Harnik die beste Chance des Spiels vor: Nach abermaliger Vorarbeit von Arnautovic rutschte der 29-Jährige am Ball vorbei (41.), der in der Mitte postierte Janko wäre womöglich die noch bessere Wahl gewesen. Die Ungarn hielten sich mit offensiven Vorstößen vornehm zurück – bis zur 43. Minute. Kleinheisler schickte Dzsudzsak auf die Reise, der Schuss des Kapitäns aber verfehlte das lange Eck – kollektives Aufatmen beim österreichischen Anhang.
Schüsse ins rot-weiß-rote Herz
Österreich Spieler waren sich ihrer Favoritenrolle insgeheim bestimmt bewusst, wenngleich sie sie öffentlich nicht annehmen wollten. Doch die höhere individuelle Klasse von Alaba und Co. war an diesem Abend in Bordeaux nicht zu sehen, die Leidenschaft der Ungarn war da schon größer. Die vom Deutschen Bernd Storck trainierte Mannschaft wurde immer stärker, je länger das Spiel dauerte.
Zlatko Junuzovic sollte das Stadion in Bordeaux wenig später auf Krücken verlassen, laut erster Diagnose von Teamarzt Richard Eggenhofer aber ohne Bänderverletzung. Der Spielmacher der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft war in der ersten Halbzeit nach einer harten Attacke eines Ungarn überknöchelt. Der Bremen-Legionär spielte zunächst weiter, klagte aber in der Pause über starke Schmerzen. Sein rechter Knöchel wurde getaped, Junuzovc lief wieder ein, konnte aber in der 59. Minute nicht mehr weitermachen und wurde durch Marcel Sabitzer ersetzt.
Das Spiel drohte in der Folge, sich in die falsche Richtung zu entwickeln. Als Szalai in der 62. Minute den Ball im österreichischen Tor unterbrachte, war das Unglück perfekt. Gelb-Rot gegen Dragovic drei Minuten später erschwerte die Aufholjagd, die letztlich nicht stattfand. Ungarn erzielte im Konter durch Stieber sogar noch das 2:0 (87.). Österreich steht vor dem zweiten Spiel gegen Portugal (14. Juni) bereits mit dem Rücken zur Wand.