99 Personen wurden in U-Haft genommen, Drogen im Wert von 250.000 Euro beschlagnahmt. Teilweise verlagert sich das Problem aber nur an neue Orte und in die Nacht.
Wien. Seit 1. Juni ist Ruhe an den Wiener Drogenhotspots an der U6 und auf dem Praterstern eingekehrt. An diesem Tag ist die Novelle des Drogengesetzes in Kraft getreten, das der Polizei nun erlaubt, für Dealer schneller eine U-Haft zu erwirken. Das tut sie: Seit Anfang Juni fährt die Wiener Exekutive eine Aktion scharf – eine Zwischenbilanz wurde am Mittwoch präsentiert.
Insgesamt kam es in den letzten zwei Wochen zu 4400 Identitätsfeststellungen. Es wurden 556 Anzeigen wegen Verwaltungsübertretungen ausgestellt und 352 nach dem Strafrecht. Wiederum 300 davon betreffen Übertretungen des Suchtmittelgesetzes – 85 sind dem neuen Paragrafen zuzurechnen, der den Drogenhandel im öffentlichen Raum rigoros einschränkt.
Volle Gefängnisse
Im Zuge der Ermittlungen wurden in den vergangenen zwei Wochen Drogen im Wert von 250.000 Euro sichergestellt: 310 Gramm Heroin, 550 Gramm Kokain und 26 Kilogramm Marihuana.
Ein besonderer Coup gelang der Polizei vergangene Woche: Auf der Straße entdeckte ein ermittelnder Beamter in Ottakring einen Mann, der ihm bekannt vorkam. Bei einer Personenkontrolle stellte sich heraus, dass es sich um einen alten Bekannten der Exekutive handelte: Der Mann wurde bereits 2010 verurteilt, er war Teil eines serbisch-kroatischen Drogenrings. Gegen ihn wurde ein Aufenthaltsverbot in Österreich verhängt.
Daraufhin veränderte der Mann mittels kosmetischer Operationen sein Aussehen und kehrte unter falschem Namen zurück. „Auch aufgrund seiner markanten Nase wurde er aber wiedererkannt“, sagt Wolfgang Preiszler, Leiter der Drogenkoordination im Landeskriminalamt Wien. Bei einer Hausdurchsuchung in der Brunnengasse wurden 26 Kilogramm Marihuana, Kokain und eine Kokainpresse gefunden. Der 40-Jährige verweigert die Aussage und sitzt in Untersuchungshaft.
Anders als vielfach propagiert handelt es sich bei den Dealern nur in seltenen Fällen um Asylwerber, die mit der Flüchtlingswelle im Herbst 2015 ins Land gekommen sind. Zwar sind 80 Prozent der seit 1. Juni wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz Festgenommenen Asylwerber – sie kommen aber nur selten aus den großen Auswanderungsländern Afghanistan, Syrien oder dem Irak, sondern aus dem afrikanischen Raum. Von 102 festgenommenen Männern aus Afrika stammen 57 Personen aus Nigeria, 15 aus Algerien, 13 aus Gambia – die meisten halten sich schon länger im Land auf. 99 Personen wurden in U-Haft genommen. „Das ist eine Einlieferungsquote von 75 Prozent, die wollen wir halten“, sagt Preiszler.
Verdrängungseffekt
Dass sich die Gefängnisse nun wieder mit Kleindealern füllen, wird von einigen Experten massiv kritisiert. So sagte etwa Christa Edwards, Chefin der Fachgruppe Jugendrichter, im „Presse“-Interview: „Strengere Strafen haben keinen Einfluss auf Kriminalität.“ Die Straßendealer seien leicht austauschbar, die Gefängnisse mit ihnen zu füllen sei nicht sinnvoll. „Das Problem sind die Großhändler.“
Auch Gabriele Fischer, Chefin der Drogenambulanz im Wiener AKH, hält von der neuen Gesetzgebung wenig: „Es ist teuer und ineffizient. Drogensüchtige sind Kranke, und Kranke gehören nicht ins Gefängnis.“ Sie geht davon aus, dass viele der Kleindealer in erster Linie so ihren eigenen Konsum finanzieren wollen. „Teilweise gab es mehr Verkäufer als Käufer“, sagt Preiszler.
Weiters bestätigt die Polizei einmal mehr, was subjektiv schon für viele spürbar ist: Bis zu einem gewissen Grad verlagert sich das Problem nur – hinein in die Bezirke und Häuser und in die späten Nachtstunden. „Ja es gibt einen Verdrängungseffekt, und wir beobachten das“, sagt Preiszler. Es würden sich auch schon neue Drogenumschlagplätze herauskristallisieren. Wo, das will Preiszler wegen laufender Ermittlungen allerdings noch nicht sagen. (ath)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2016)