In Budapest wurde das 2:0 gegen Österreich so ausgelassen gefeiert, als wären die Magyaren Europameister geworden. In dieser Erfolgsgeschichte geht es auch um Politik – Viktor Orbáns Fußballförderung macht sich bezahlt.
Budapest. Als wären sie Europameister geworden, so feierten die Magyaren bis in den frühen Morgen den Sieg gegen Österreich. Ein Land liegt im Freudentaumel: Indische Touristen klatschten in Budapest jubelnden Ungarn auf die Schultern, in Györ feierten Migranten aus einem Flüchtlingslager und Migranten hassende Nationalisten gemeinsam.
Für andere war es vielleicht nur ein Gruppenspiel, für Ungarn aber ist es die triumphale Rückkehr in die höchsten Ebenen des Weltfußballs. Seit der „goldenen Mannschaft“ um Ferenc Puskás (1954) schien nichts mehr gelingen zu wollen, jahrzehntelang scheiterte das fußballverrückte Land an der Aufgabe, eine Endrunde zu erreichen. Selbst für die Euro 2016 war es erst auf den letzten Drücker im Play-off gelungen. Groß war daher der Zweckpessimismus, dass man in Frankreich schon in der Gruppenphase ausscheiden werde.
Nun ist man nach dem ersten Spiel plötzlich Gruppenerster. „Wir werden wieder eine Fußballnation“, prophezeite Pál Dárdai, der in Berlin Hertha BSC trainiert, im ungarischen Fernsehen die EM kommentiert, aber in Wahrheit als Macher des Aufschwungs gilt, weil er in seiner Zeit als Teamchef die richtigen Schritte gesetzt hat. Sein Nachfolger, Bernd Storck, wird dafür nun medial glorifiziert.
Es gibt aber noch einen Architekten des ungarischen Wiederaufbaus im Fußball: Viktor Orbán. Einst war der Ministerpräsident aktiver Spieler, als Regierungschef machte er die Fußballförderung zu einem wichtigen Punkt seiner Politik. Jetzt erntet er die Früchte. „Orbán hat jetzt gerade die Wahlen 2018 gewonnen“, kommentierte so mancher Budapester das 2:0.
Orbán hat Geld in den Bau neuer Stadien gesteckt, fördert den Nachwuchs in der Akademie in seinem Heimatdorf Felcsút. Dafür ist er von der Opposition in Grund und Boden kritisiert worden: Korruption, Geldverschwendung, Vetternwirtschaft, so lauteten die Vorwürfe. Als Felcsút diese Saison aus der ersten Liga ausschied, war der Spott groß. Orbáns Antwort aber lautete bereits nach der EM-Qualifikation: „Na, ugye?“ Was so viel heißt wie: „Na, habe ich's nicht gesagt?“ Der Sieg gegen Österreich und der eventuelle Aufstieg ins Achtelfinale dürfte ihm in den Meinungsumfragen ähnlich Auftrieb geben wie in der Flüchtlingskrise.
Für die linksliberale Opposition bleibt Orbán ein Autokrat, der sich den Staat zurechtbiegt. Für viele Ungarn ist er nun jedoch vor allem der Mann, der das Land vor Migranten „bewahrt“ und Ungarns Fußball wiederbelebt hat.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2016)