Eindeutig auf verlorenem Posten

SOCCER - UEFA EURO 2016, AUT vs HUN
SOCCER - UEFA EURO 2016, AUT vs HUN(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Christian Walgram)
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Österreich erlag beim 0:2 gegen Ungarn der Nervosität und dem eigenen Unvermögen. Für das zweite Gruppenspiel gegen Portugal gibt es nur wenig Grund zur Hoffnung. Junuzović klagt über starke Schmerzen, Dragović ist gesperrt.

Als Referee Clément Turpin in Bordeaux zum finalen Pfiff ansetzte, war Österreichs kapitaler Fehlstart brutale Gewissheit. Marko Arnautović schlug die Hände über dem Kopf zusammen, andere ließen sich fallen und schlossen geschockt ihre Augen. Das 0:2 gegen Ungarn war eine einzige Enttäuschung, schmerzhaft und ernüchternd zugleich. Nach verheißungsvollem Beginn – David Alaba traf nach 31 Sekunden die Stange – regierte schon bald die Unsicherheit im Spiel der Österreicher.

Fehlpässe reihten sich aneinander, Nervosität machte sich bemerkbar. „Natürlich war jeder angespannt“, sagte Aleksandar Dragović, der bis zu seinem Ausschluss (Gelb-Rot in der 66. Minute) kein sonderlich gutes Spiel machte. Umso bemerkenswerter, dass sich der 25-Jährige in der Mixed Zone als Erster den Fragen stellte. Dragović kämpfte da mit den Emotionen. Diese Niederlage, die harte Landung nach dem Höhenflug, ging dem Kiew-Legionär, der diesen Sommer auf den Transfer-Coup hofft, sehr nahe.

Ballverluste, kein Ziel

Durch die Sperre rückt gegen Portugal am Samstag Sebastian Prödl in die Innenverteidigung. Er hatte von seiner Nichtnominierung gegen Ungarn schon vor Tagen erfahren. „Wir werden die Last auf mehr Schultern als auf jene von elf Spielern verteilen. Wir haben noch zwei Endspiele, die Lage ist nicht aussichtslos“, sagt Prödl, der als einer von fünf Spielern schon bei der EM 2008 Erfahrungen sammelte.

Auch für Teamchef Marcel Koller war die vorherrschende Nervosität seiner Spieler ein Grund für die Niederlage. Ballverluste sonder Zahl, dazu fehlende Präzision, das habe er „so noch nicht gekannt“ von seiner Mannschaft.

Die Ungarn präsentierten sich gegen favorisierte Österreicher als die erwartet kompakte Einheit. Sie verfügen über kein Wunderteam, gewannen letztlich nach Toren von Szalai (62.) und Stieber (87.) aber verdient. „Ungarn war defensiv stark und geduldig. Sie können guten Fußball spielen“, befand Koller, der erstmals auch Nachteile an der zentralen Position von David Alaba erkannt haben möchte: „Vielleicht ist das ein kleines Problem.“ Alaba, bei Bayern München als Linksverteidiger gesetzt, konnte nicht in die Rolle des Leitwolfs schlüpfen und blieb nach seinem Stangenschuss vieles schuldig. Mit gesenktem Kopf stieg er rund zwei Stunden nach Spielende als einer der letzten in den Mannschaftsbus.

Wer schießt die Tore?

Martin Harnik, gegen Ungarn auffällig unauffällig, hatte im Vorfeld Befürchtungen. „Die letzten Spiele haben gezeigt, dass wir uns gegen kompakte Teams schwertun.“ Der gebürtige Hamburger braucht Räume, um seine Schnelligkeit auszuspielen. Gegen Ungarn fand er diese nicht vor und um Eins-gegen-Eins-Situationen zu suchen, fehlt ihm offensichtlich das Selbstvertrauen. Dabei sagte Harnik selbst nach der Begegnung: „Ich fühle mich nicht in einem Formloch, habe gut trainiert. Der Trainer hat mich nicht umsonst aufgestellt.“

Es gibt dieser Tage viele Sorgenkinder in der österreichischen Mannschaft, auch Zlatko Junuzović ist ein solches. Er erlitt eine Knöchelverletzung, verließ auf Krücken das Stadion. „Die Schmerzen wurden immer stärker.“ Ob der Spielmacher bei dieser EM überhaupt noch einmal spielen kann, ist offen. Der 28-Jährige klagte auch am Mittwoch noch über Beschwerden im Sprunggelenk. Die Bänder sind aber intakt.

Gegen Portugal steht Österreich nun unter Zugzwang. Möchte man weiter vom Achtelfinale träumen, ist ein Punktegewinn unumgänglich. Nur, wer soll die Tore schießen? „Gegen die Portugiesen wird das ein komplett anderes Spiel, ein anderer Fußball“, versicherte Florian Klein, gegen Ungarn weitgehend auf verlorenem Posten. Die Österreicher erhoffen sich durch die offensivere Spielweise von Cristiano Ronaldo und Co. mehr Räume, die es dann mit Gegenstößen zu nutzen gilt. „Aber wenn wir die Fehler nicht abstellen, wird es schwierig“, gab Klein zu bedenken.

Kapitän Christian Fuchs, der über die linke Seite mit Marko Arnautović längst nicht so gut wie schon in der Vergangenheit harmonierte, hoffte auf das Einsetzen der in Österreich gängigen Jetzt-erst-recht-Mentalität: „Wir haben nichts mehr zu verlieren.“ Koller mag zweifeln, er hat den Glauben an sein Team aber nicht verloren. „Wir wissen, wie gut wir spielen können. Es wäre gut, gegen Portugal drei Punkte zu holen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2016)

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