ORF-Betriebsrat: "Unfug, das Familiensilber zu verkaufen“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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ORF-Zentralbetriebsrat Gerhard Moser ist gegen den Teilverkauf des Funkhauses. Er sagt außerdem, dass man die Politik nicht aus dem ORF herausbekommen werde.

Die Presse: Nächsten Donnerstag soll im Stiftungsrat der Teilverkauf des Funkhauses abgesegnet werden. Ist das so nun eine gute Lösung?

Gerhard Moser: Selbstverständlich ist das keine gute Lösung, unabhängig davon, wer hier den Zuschlag bekommen hat. Der Verkauf des Funkhauses, also der einzigen Innenstadtlage des ORF, ist unsinnig, unnötig und wirtschaftlich fahrlässig. Unnötig und wirtschaftlich fahrlässig, weil der ORF zwar einen Finanzbedarf hat, aber nicht in den roten Zahlen steht. Insofern ist der Verkauf des berühmten Familiensilbers ein Unfug. Der Unsinn wird sich zeigen, wenn alle ORF-Radios und unser Internet, bislang auf der Heiligenstädter Lände, an einem Standort zusammengefasst sind. Das bedeutet arbeitsrechtliche Probleme, das wird Organisationsstrukturen erfordern, von denen bis heute keiner weiß, wie sie konkret aussehen werden. Als Ö1-Mitarbeiter teile ich die Bedenken der Kollegen im Funkhaus. Der Verdacht, dass hier kritische Programmelemente – also Ö1 und FM4 – diszipliniert werden sollen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Ö1 soll ab 2020 in dem geplanten Neubau am Küniglberg unterkommen. Die Redaktionsräume im Funkhaus werden als sanierungsbedürftig umschrieben. Warum gibt es dennoch so massive Bedenken gegen die Übersiedlung?

Ich weiß nicht, was an den Redaktionsräumen im Funkhaus so dringend sanierungsbedürftig wäre. Ich bin aber gern bereit, mit Ihnen einen Lokalaugenschein vorzunehmen. Gern auch im Vergleich zu jenen Standortlösungen, die der Printbereich in den vergangenen Jahren vorgenommen hat.

Werden Sie also kommende Woche gegen den Verkauf stimmen?

Davon können Sie ausgehen.

Ebenfalls nächste Woche soll beschlossen werden, ob es Nachnominierungen für Kandidaten der ORF-Wahl geben darf?

Diese Frage halte ich für nebensächlich. Solange ich in meiner Funktion als Stiftungsrat ausreichend Zeit habe, die Bewerbungskonzepte in Ruhe zu studieren und etwaige Nachfragen zu stellen, ist mir der Nominierungszeitpunkt egal.

Alexander Wrabetz ist sich seiner Sache schon recht sicher – glauben Sie, das Rennen ist schon für ihn gelaufen?

Gute Frage. Die müssten sie aber dem amtierenden Generaldirektor selbst stellen. Bislang kann er sich seiner Sache absolut sicher sein, weil er der einzige Kandidat ist.

Was halten Sie von der Idee, im ORF eine Doppelspitze einzuführen?

Gerhard Moser
Gerhard Moser(c) APA (HELMUT FOHRINGER)

Hier sehe ich pro und contra, egal ob das jetzt in einer Gesetzesänderung festgeschrieben wird oder sich jemand selbst beschränkt. Pro ist die Tatsache, dass unhinterfragte Alleinentscheidungen nicht mehr möglich sind. Nur, man kann Herrn Wrabetz einiges vorwerfen aber mit Sicherheit nicht „autoritären Absolutismus“. Das „Pro“ hieße ausführlichere und durchaus strittige Entscheidungsprozesse in der Geschäftsführung. Das „Contra“ wiederum hat mit der realpolitischen Verfasstheit dieses Landes zu tun. Machen wir uns doch nichts vor. Das hieße einmal rot und einmal schwarz oder nach den nächsten parlamentarischen Wahlen, einmal blau und einmal pink oder einmal grün und schwarz oder rot. Man wird – und das sage ich als parteipolitisch unabhängiger Belegschaftsvertreter und Stiftungsrat – die Politik nicht aus dem ORF heraus bekommen. Und solange sie sich über Parteien artikuliert, sind es eben die Parteien, die hier – einmal verschämt, meistens aber völlig unverschämt – agieren. Eines kann ich als Journalist aber auch sagen: Es war schon weit schlimmer als heute.

Was halten Sie von der Idee, im ORF eine Doppelspitze für den ORF einzuführen?

Hier sehe ich Pro und Kontra. Pro ist die Tatsache, dass unhinterfragte Alleinentscheidungen nicht mehr möglich sind. Nur, man kann ORF-General Alexander Wrabetz einiges vorwerfen, aber mit Sicherheit nicht autoritären Absolutismus. Das Kontra wiederum hat mit der realpolitischen Verfasstheit dieses Landes zu tun. Machen wir uns doch nichts vor. Das hieße einmal rot und einmal schwarz oder nach den nächsten parlamentarischen Wahlen, einmal blau und einmal pink oder einmal grün und schwarz oder rot. Man wird – und das sage ich als parteipolitisch unabhängiger Belegschaftsvertreter und Stiftungsrat – die Politik nicht aus dem ORF herausbekommen. Und solange sie sich über Parteien artikuliert, sind es eben die Parteien, die hier – einmal verschämt, meistens aber völlig unverschämt – agieren. Eines kann ich als Journalist aber auch sagen: Es war schon weit schlimmer als heute.

Wie ist Ihr Resümee der Ära Wrabetz? Werden Sie ihm Ihre Stimme geben?

Ein Resümee möchte ich mir gerne ersparen. Was mein Wahlverhalten in dieser Frage betrifft: Es wird zwar eine offene Wahl im August im Stiftungsrat geben, aber bis dahin gilt schon das Wahlgeheimnis. Um den Stiftungsratskollegen und Ex-Caritas-Präsidenten Küberl aus einem „Presse“-Interview und in Abwandlung zu zitieren: Es möge keiner in die Verlegenheit kommen mit dem Moser'schen Pfund zu wuchern.

Wrabetz will Senderverantwortliche einführen – ist das eine gute Idee?

Die Idee ist nicht schlecht. Nur bis jetzt sehen wir nichts als verwirrende Organigramme und regelrecht mathematische Matrizen, angeblich von einer Consulting-Firma für viel Geld erstellt, die mehr Fragen als Antworten ergeben.

Ö1 ist immer noch nur provisorisch besetzt. Wrabetz will den Interimschef Peter Klein nun offiziell zum Senderchef bestellen. Macht Klein den Job gut?

Sie erwarten wohl nicht, dass ich meinem Chef Zensuren erteile. Ö1 und die anderen Sender haben andere Sorgen als die Chef-Frage. Wie halten wir die Hörer und Seher, wie finden wir neue? Die Belegschaftsvertretung erwartet sich konkrete Antworten zu anderen zentralen Themen. Etwa zur Personalpolitik. In den vergangenen fünf Jahren haben wir jeden fünften Mitarbeiter verloren. Es steht eine große Pensionierungswelle in allen Abteilungen an. Wir haben zuletzt auf Wunsch des Unternehmens einen neuen Kollektivvertrag verhandelt. Unter anderem mit der klaren Forderung nach einem radikalen Wechsel in Personalfragen, also keinen Abbau mehr, sondern laufend Neuanstellungen. Das ist im Interesse der Mitarbeiterinnen, die von Jahr zu Jahr unter immer stärkeren Arbeitsdruck mit den bekannten Folgen bis hin zu etlichen „Burn out“-Erkrankungen geraten sind. Das ist aber auch im Interesse des ORF, denn wenn hier nicht rasch umgedacht wird, können wir in ein paar Jahren ganze Abteilungen, wenn nicht gar Sender wegen akuten Personalmangels zusperren. Zweiter wesentlicher Punkt ist die Standortfrage. Wenn der Umzug der Radios auf den Küniglberg tatsächlich stattfinden muss, müssen korrekte und menschenwürdige Arbeitsbedingungen garantiert sein. Wir wollen keine journalistischen Legebatterien, keine Wechselarbeitsplätze und keine neuen Arbeitsformen wie Home Office, weil es auf dem Küniglberg zu wenig Platz für alle gibt. Die Standortfrage, und das ist auch der nächste und dritte Punkt, ist nicht nur eine geografische, sie ist vor allem eine strukturelle. Das heißt, es muss auch sehr klare Überlegungen und Konzepte geben, wie sich der ORF in Zukunft organisatorisch aufstellt. Welche Direktionen wird es geben, wie wird der Stellenwert der Radios an einem gemeinsamen Standort gesichert und wie wird die journalistische Unabhängigkeit garantiert? Wie wird das arbeitsrechtliche Problem „Trimedialer Newsroom“ gelöst werden? Es kann wohl nicht sein, dass die Mediengattungen zusammen geführt werden und unsere Internet-Kolleginnen weit schlechter bezahlt werden als die Radio und FernsehmitarbeiterInnen.

Finden Sie, dass der Stiftungsrat in seiner jetzigen Struktur gut aufgestellt ist? Haben Sie Verbesserungsvorschläge?

Ich will mich in diese Debatte nicht mehr einmischen. Bei der letzten Reform des ORF-Gesetzes gab es eine klare Stellungnahme des Zentralbetriebsrates und des ÖGB: Verkleinerung des Gremiums bei Anwendung der arbeitsverfassungsrechtlichen „Zweidrittel-Parität“. Was danach geschehen ist, kann man nur eine politische Hinhaltetaktik auf ministerieller Ebene unter Beiziehung diverser Experten für Arbeitsgruppen nennen. Geschehen ist also nichts, und der Stiftungsrat ist allein von seinem organisatorischen Prozedere her, dringend zu reformieren. In Finanz- und Programmausschüssen wird meist sehr effizient gearbeitet, dann kommen die Punkte ins Plenum unter dem Motto - und das entwende ich dem FPÖ-Vertreter Steger - "es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von allen“. So sind die innerorganisatorischen Abläufe. Für den Rest ist der Gesetzgeber verantwortlich, und der ist – wie ich mehrfach gehört habe – an der heimischen Realpolitik gescheitert, was die Frage von Parteien- und Regierungsvertretern anbelangt oder die von Bundesländervertretern, die in der Tat und nach wie vor der Ansicht sind, in diesem Gremium regionale Bedürfnisse befriedigen zu müssen.

Was halten Sie vom Vorschlag, künftig ein öffentliches Hearing aller ORF-General-Kandidaten durchzuführen?

Das befürworte ich vollkommen. Meine Frage dazu ist nur: Stimmen wir als Stiftungsräte dann auch im Parlament ab?

Zur Person

Gerhard Moser, 1962 in Villach geboren, im ORF tätig seit Anfang der Achtzigerjahre, derzeit als Ö1-Redakteur. Betriebsrat seit 1995, Zentralbetriebsratsvorsitzender seit 2008, im Februar in dieser Funktion bestätigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2016)

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