Querschüsse bei Wahl der Rechnungshof-Chefin

ARCHIVBILD: RECHNUNGSHOF: KRAKER MIT KOALITIONSMEHRHEIT NOMINIERT
ARCHIVBILD: RECHNUNGSHOF: KRAKER MIT KOALITIONSMEHRHEIT NOMINIERT(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Margit Kraker steht als Präsidentin fest, aber nicht einmal alle Koalitionsabgeordneten stimmten für sie.

Wien. Schon bei der Nominierung der bisherigen Chefin des steirischen Landesrechnungshofs als Präsidentin des Rechnungshofs auf Bundesebene war die Anspannung enorm gewesen. Bevor die schwarze Parteigängerin am Donnerstag knapp nach 16 Uhr mit 95 von 175 gültigen Stimmen im Nationalrat gewählt wurde, lagen die Nerven schon wieder blank. Erst nach einer Sitzungsunterbrechung, Vorwürfen von FPÖ-Seite wegen einer möglichen Verfälschung bei der Abstimmung und einer kurzfristig einberufenen Stehpräsidiale mit den Klubchefs war die Kür Krakers für zwölf Jahre bis 2028 durch. Sie folgt Josef Moser als Rechnungshofschefin ab dem 1. Juli nach.

Allerdings haben bei 95 Ja-Stimmen mehrere der am Donnerstag anwesenden, insgesamt hundert Abgeordneten der Koalition ihre Zustimmung zu Kraker verweigert. Die SPÖ hatte bereits ihrer Nominierung nur zähneknirschend eingewilligt. 88 Stimmen wären wegen der entschuldigten Abwesenheit mehrerer Parlamentarier für die Kür von Kraker notwendig gewesen.

Mancher Mandatar und Beobachter fühlte sich an die Anfechtung der Stichwahl um das Bundespräsidentenamt durch die FPÖ erinnert. Der Grund: Das Procedere für die Wahl der neuen Rechnungshof-Spitze wurde vom vorsitzenden Zweiten Nationalratspräsidenten, Karlheinz Kopf (ÖVP), unterbrochen. Er versammelte die Klubchefs um sich. Anlass für den Ärger bei den Freiheitlichen war eine Ungereimtheit im Zuge der geheimen Abstimmung über Kraker. Dabei haben zwei Abgeordnete der Grünen, Karl Öllinger und Tanja Windbüchler-Souschill, ihre Stimmen schon abgegeben, bevor sie namentlich zur Wahl im Parlamentsplenum aufgerufen worden waren. Es hieß daraufhin, das sei mit Kopf so abgesprochen gewesen, weil sie dringend zum nächsten Termin müssten.

Schieder ätzt gegen Lopatka

Schon vor der Wahl im Nationalrat hatte nicht nur die Opposition, sondern auch die SPÖ kein Hehl aus ihren Vorbehalten gegen Kraker gemacht. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder betonte, für ihn sei der Rechnungshof-Sektionschef Gerhard Steger der Beste unter mehreren Möglichkeiten gewesen, zu denen er auch Kraker zählte: „Es ist uns nicht recht, dass sie ÖVPlerin ist, aber sie kann den Job.“ Er sei überzeugt, dass die neue Präsidentin die Aufgabe zu hundert Prozent erfüllen könne.

Das zerrüttete Verhältnis zwischen den beiden Klubobleuten der Regierungsparteien, Schieder und ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, offenbarte sich auch in einem unmissverständlichen Seitenhieb des SPÖ-Politikers. Er spielte darauf an, dass Lopatka so oft den früheren deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer zitiere, dass man über Nacht klüger werden könne. Er wünsche sich im Sinn einer erfolgreichen Zusammenarbeit der rot-schwarzen Koalition mehrere solcher Nächte, ätzte Schieder. Lopatka hielt dagegen: „Es ist Zeit für eine Frau an der Spitze.“

Stehende Ovationen für Josef Moser

Die Opposition schäumte. Die Freiheitlichen sprachen von einer „Schmierenkömodie“, die Grünen von einer „Erpressung“ des Koalitionspartners durch Lopatka, für die Neos war es „keine Sternstunde des Parlamentarismus“.

Der scheidende Rechnungshof-Präsident, Josef Moser, hatte davor seinen letzten Auftritt vor dem Hohen Haus. Dabei rief er die Mandatare „mit Nachdruck“ auf, die offenen rund 20 Prozent der Empfehlungen des Kontrollorgans umzusetzen. Es gehe demnach um Bereiche wie Bildung, Gesundheit und die Straffung der Finanzbeziehung zwischen den Gebietskörperschaften, erläuterte er. In diesem Zusammenhang hat Moser einmal mehr auf das Positionspapier mit 1007 Empfehlungen verwiesen, das er als eine Art Vermächtnis am Mittwoch hinterlassen hat.

Er sei stolz auf die letzten Jahre, aber es gebe nach wie vor „sehr viel Handlungsbedarf“, bekräftigte Moser. Der scheidende Präsident zeigte sich überzeugt, dass Kraker ihre Aufgabe ebenfalls mit vollem Engagement wahrnehmen werde.

Moser wurde mit stehenden Ovationen der Abgeordneten verabschiedet. Später war dann auch noch eine gemeinsame Verabschiedung durch den Rechnungshof-Ausschuss, wo Gabriele Moser von den Grünen den Vorsitz führt, und den Budgetausschuss vorgesehen. (ett/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2016)

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