Das Ende der kroatischen Koalition

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Das Parlament in Zagreb stürzte am Donnerstag den parteilosen Premier, Tihomir Orešković. Die rechte HDZ versucht nun, eine neue Koalition zu schmieden.

Wien/Zagreb. Die innenpolitische Krise in Kroatien hat sich weiter zugespitzt. Die Regierungskoalition in Zagreb ist endgültig gescheitert. Das Parlament sprach am Donnerstagnachmittag mit großer Mehrheit dem kroatischen Premierminister, Tihomir Orešković, das Misstrauen aus. 125 der 151 Abgeordneten entzogen dem Regierungschef das Vertrauen. Auch die sozialdemokratische Opposition unterstützte die Absetzung des Premiers. Das hat der starke Mann der Sozialdemokraten, der einstige Premier Zoran Milanović, bereits am Mittwoch angekündigt. Er strebt Neuwahlen an.

Ob die Kroaten nun bald erneut zu den Urnen gehen müssen, wird sich innerhalb der kommenden vier Wochen entscheiden. So lang hat laut Verfassung die stärkste Partei im kroatischen Parlament, die rechte Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ), nun Zeit, um eine neue Koalition auf die Beine zu stellen. Ob die HDZ die dafür notwendige Mehrheit von 76 Abgeordneten zusammenbringt, ist jedoch fraglich. Gelingt die Regierungsbildung nicht, gibt es Neuwahlen.

„Interessenkonflikt“ des Vizepremiers

Der Sturz des parteilosen Premiers Orešković wurde aus der Mitte der nun zerfallenen Koalition betrieben, nämlich von der HDZ. Ihr Chef, Tomislav Karamarko, hatte das Misstrauensvotum gegen Orešković initiiert. Bereits Mittwochabend war er vom Posten des Vizeregierungschefs zurückgetreten. Er begründete diesen Schritt mit Streitigkeiten innerhalb der Regierung.

Zuvor hat jedoch auch eine staatliche Prüfungsbehörde dem HDZ-Chef einen Interessenkonflikt attestiert: Die Kommission kritisiert die Beziehungen Karamarkos zu einem Lobbyisten des ungarischen Ölkonzerns MOL. Die Frau des HDZ-Chefs, Ana Karamarko, hat für eine Lobbyingfirma des Ölkonzerns gearbeitet und dafür 60.000 Euro erhalten. Und das, obwohl es einen handfesten Konflikt zwischen dem kroatischen Staat und MOL gibt: Wegen eines Streits um die kroatische Erdölgesellschaft INA hat Zagreb ein Schiedsverfahren gegen den ungarischen Konzern eingeleitet.

Karamarko weist zurück, dass es für ihn deshalb einen Interessenkonflikt gegeben habe. Er kündigte an, die Entscheidung der staatlichen Prüfungskommission vor dem Verwaltungsgericht anzufechten. Und er beteuerte, sein Rücktritt habe nichts mit dem Spruch der Kommission zu tun. Dieser sei vielmehr ein „symbolischer Akt“.

Der schon länger währende Streit um die Rolle von Karamarkos Frau und ein daraus folgender Interessenkonflikt zählten zu den Sprengsätzen, die die kroatische Koalition in die Luft jagten. Nachdem das Wochenmagazin „Nacional“ im Mai die Tätigkeit Ana Karamarkos für den MOL-Lobbyisten enthüllt hatte, beantragte die Opposition eine Amtsenthebung des Vizepremiers. Doch auch der Koalitionspartner der HDZ, die wirtschaftsliberale Partei Most, kündigte an, für die Absetzung Karamarkos als stellvertretenden Regierungschef zu stimmen.

Der reagierte wütend: Die HDZ lasse sich nicht erpressen – und werde den Regierungspartner wechseln. Schon bisher hat es immer wieder zwischen der HDZ und Most Probleme gegeben. Der parteilose Premier Orešković hatte deshalb die beiden Streithähne Karamarko und Most-Chef Bozo Petrov zur Mäßigung aufgefordert – und legte schließlich beiden den Rücktritt nahe. Daraufhin schoss sich die HDZ auf den Regierungschef ein.

Orešković hat noch am Mittwochabend die kroatischen Parteichefs aufgerufen, „maximale Verantwortung und Geduld“ zu zeigen. Er gab sich überzeugt, dass die Regierungspartner ihren Streit überwinden und die Koalition fortsetzen werden. Doch daraus wurde nun nichts. (APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2016)

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