Laut den Veranstaltern zogen 130.000 Teilnehmer über den Ring. Dem gleichzeitig abgehaltenen "Marsch für Jesus" wich man aus.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ist am Samstagabend als erster Regierungschef bei der Regenbogenparade aufgetreten. „Mein Name ist Christian Kern. Ich bin hier, um mit euch für Toleranz und Vielfalt einzutreten“, sagte er bei der Abschlussfeier im Votivpark. Er betonte, gemeinsam mit der Community für die Gleichstellung von Homosexuellen eintreten zu werden. „Für mich ist es beschämend, dass wir heute keine vollständige Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Österreich haben“, sagte Kern. „Ich kann euch versprechen, in mir habt ihr einen Bündnispartner, wir werden alles daran setzen, dass dieser elende Zustand endlich aufhört.“
Das Publikum dankte ihm für seine Wort mit „Feel the Kern"-Rufen und starkem Applaus. „Finally a fabulous Kanzler“, freute sich ein Fan auf einem Plakat. „Ihr seid laut und bunt und niemand kann euch überhören und niemand kann euch übersehen“, rief Kern ins Publikum, das ihn mit großem Jubel und Applaus empfangen hatte. „Ja ich bin der Bundeskanzler und ich bin auf der Regenbogenparade, aber na und? Mein Gott, es ist 2016 und die Zeit dafür war überreif.“
Neuer Bundesratspräsident outete sich
Zuvor hatte sich der designierte Präsident des Bundesrats, Mario Lindner (SPÖ), im Rahmen der Abschlussveranstaltung auf der Bühne geoutet: „Ich werde in einigen Tagen zum Präsidenten des Bundesrats ernannt, ich werde in dieser Funktion den neuen Bundespräsidenten angeloben - und ich bin schwul“, sagte er. Im Jahr 2016 sollte das eigentlich keine Sache mehr sein, die man extra betonen muss, meinte er. „Heute sollte kein Mann und keine Frau Angst vor Diskriminierung und Mobbing haben müssen.“
Auch die Grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, SPÖ-Bezirksvorsteher Markus Rumelhart, NEOS-Chef Matthias Strolz und die Wiener NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger sowie der Grüne Landtagsabgeordnete Peter Kraus wandten sich in Ansprachen gegen Diskriminierung und forderten Toleranz und gleiche Rechte.
Gedenken an Orlande im Mittelpunkt
Die 21. Regenbogenparade stand ganz im Zeichen des Massakers von Orlande und des Gedenkens an die 49 Todesopfer. Insgesamt zogen rund 20 große Trucks und zahlreiche kleinere Wagen und Fußgruppen um den Ring. Die Gruppe, die Parade anführte, estand nur aus den Securitys, die üblicherweise rund um einen Truck positioniert sind und das Seil für den Sicherheitsabstand tragen. Der Raum in der Mitte, in der Größe eines Sattelschleppers, blieb in diesem Fall jedoch leer. Er stand für jene Lesben, Schwule oder transgender Personen, die in Orlando oder bei anderen "Hassverbrechen" ihr Leben lassen mussten und nicht mehr mitmarschieren können, so die Veranstalter.
Auch der traditionelle Moment des Gedenkens, bei dem der Zug um 17.00 Uhr zum Stillstand kam, war dieses Jahr explizit den Opfern von Orlando gewidmet. Das wichtigste Event der Homosexuellen, Bisexuellen und Transgender-Personen stand heuer unter dem Motto "Grenzen überwinden".
Schatten über der Parade
"Die Parade ist ja eigentlich ein freudiges Fest, aber durch die Ereignisse in Orlando liegt natürlich ein gewisser Schatten darüber", sagte Christian Högl, Veranstalter der Parade und Obmann des Vereins HOSI (Homosexuelle Initiative), im Gespräch mit der APA. In Österreich sei in Bezug auf die Rechte von Schwulen und Lesben in den vergangenen Jahren viel passiert, dennoch wünsche er sich für die Zukunft, dass "die Unterschiede nicht hervorgekehrt werden".
Trotz des Gedenkens herrschte bei strahlendem Sonnenschein und lauter Musik gute Stimmung. Beliebtes Kostüm bei den Teilnehmern war das Einhorn, das in regenbogenfarbenen Ganzkörperoutfits oder als großer, glitzernder Kopfschmuck zu sehen war. Auch die NEOS zogen bei der Parade mit einem fahrenden Einhorn und dem Spruch "Sei mutiger" mit. Beliebtes Fotomotiv war neben vielen besonders aufwendig verkleideten Besuchern wie in den vergangenen Jahren die von Menschen gezogene Kutsche.
Veit Georg Schmidt von der schwul-lesbischen Buchhandlung Löwenherz, die seit Beginn an bei der Parade teilnimmt, meinte die Regenbogenparade sei im Verlauf der Jahre "bunter, schöner und entspannter" geworden. Dass es sie gibt, sei nach wie vor wichtig, weil "Lesben und Schwule immer noch als Menschen zweiter Klasse behandelt werden". Laut den Veranstaltern nahmen rund 130.000 Menschen an der Regenbogenparade teil.
Gegner riefen zu "Marsch für Familie" auf
Zeitgleich mit dem Start der Regenbogenparade trafen sich deren Gegner am Albertinaplatz. Sie riefen einmal mehr zum "Marsch für die Familie" auf, um für die "klassische Form der Familie" und gegen "gesellschaftspolitische Irrwege" zu demonstrieren. Die eher kleine Gruppe lauschte vor der Albertina mit Schildern mit der Aufschrift "Familie = Vater, Mutter, Kinder" und "Abtreibung ist Mord" einer Kundgebung. Unterstützung gab es für das vom Verein "Pro Vita" organisierte Zusammentreffen heuer einmal mehr u.a. vom ehemaligen Pegida-Sprecher Georg Immanuel Nagel.
Die Sozialistische Linkspartei SLP hat unterdessen wiederum mit Trommeln und "Eure Tradition ist unser Hass"-Plakaten gegen die Paraden-Gegner mobil gemacht. Sie demonstrierten, durch Polizeisperren vom "Marsch der Familie" abgetrennt, unter dem Motto "Frauenrechte verteidigen".
Dem "Marsch für Jesus" wich man aus
Die Regenbogenparade zog heuer nicht "andersrum", sondern in Fahrtrichtung um den Ring, um sich nicht mit dem zuvor abgehaltenen "Marsch für Jesus" in die Quere zu kommen.
Dort hatten unter anderem der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn sowie Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) teilgenommen. Dieser dankte den christlichen Kirchen für ihr Engagement und unterstrich ihren Beitrag in der Asylhilfe und Integration. „Gerade die christlichen Gemeinden sind jene, die für die neu Ankommenden einen Anker darstellen und einen Ort der Geborgenheit bieten und dazu beitragen, dass diese Menschen in die Gesellschaft hineinfinden“, betonte Kurz.
(APA)