Warnung vor Kirchenchaos

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Helmut Schüller, Kopf der Pfarrerinitiative, sieht Franziskus bei Reformen alleingelassen: „Die Situation war zu befürchten.“

Die Presse: Am Sonntag jährt sich der Tag der Veröffentlichung des „Aufrufs zum Ungehorsam“ durch die Pfarrerinitiative zum fünften Mal. Einige ihrer Anliegen, wie Kommunion für jene, die nochmals heiraten, sind im Zentrum der Weltkirche angekommen. Überrascht Sie das?

Helmut Schüller: Im Zentrum der Lebensrealität der Menschen waren die Probleme immer schon. Jetzt sind sie im Zentrum der Weltkirche angelangt, aber damit ist noch nicht viel getan. Der Papst spricht von einer Kirche, die wir gemeint haben. Das Echo ist also nicht ausgeblieben. Das, was gesagt wird, muss auch mit Leben erfüllt werden.


Weshalb sind Sie so zurückhaltend?

Es gibt eine doppelte Problematik. Die Kurie ist im Wesentlichen nicht verändert worden und betreibt die Dinge mit der bekannten Intensität, die wir von früher kennen. Die Ebene der Bischöfe ist am Abwarten, da kommt nicht viel, obwohl Franziskus von den Bischöfen schon mehrmals mutige Vorschläge verlangt hat. Im Großen und Ganzen werden diese mutigen Vorschläge nicht gemacht, auch nicht in Österreich, mit Ausnahme von Bischof Scheuer (Manfred, Linzer Diözesanbischof; Anm.). Viele wurden als Bischöfe nicht ausgewählt, um mutige Reformvorschläge zu machen.


Aber ist Ihre Bewegung nicht in gewisser Weise obsolet geworden?

Wir sind nicht obsolet geworden. Die Allgemeinheit denkt, die Dinge sind im Laufen – das ist aber nicht der Fall.


Insgesamt sind Sie nach außen aber sehr ruhig geworden.

Es ist mühsamer geworden, sich Gehör zu verschaffen. Alle sind beschäftigt mit dem, was Papst Franziskus sagt oder tut.


Ist bei Ihnen Ernüchterung eingekehrt nach einer Anfangseuphorie über Franziskus?

Die Situation war zu befürchten. Franziskus passiert das, was Johannes XXIII. (Konzilspapst, Anm.) mit der Kurie passiert ist. Heute steht die große Kirchenreform aus.


Wie wird sich die Weltkirche nach Ihrem Dafürhalten weiterentwickeln?

Es gibt zwei Szenarien. Erstens, es gibt eine weltkirchenweite Erneuerung und Reform, indem die Bischöfe ihre Freiräume auch nutzen. Zweitens, es folgt die große Ära der Selbsthilfe. Das wird ein kreatives Chaos werden. Eine weltweite Kirche zu sein, ist ein riesiges unschätzbares Asset in einer Zeit, wo alles auseinanderfällt. Ich hoffe dringend von Herzen, dass wir als Weltkirche eine Erneuerung schaffen.


Was sollten mutige Bischöfe also tun?

Sich zusammentun und für die Öffnung des Priesteramts für verheiratete Männer eintreten, wenn sie ganz mutig sind, nehmen sie die Frauen noch dazu.

In Österreich ist damit eher nicht zu rechnen, da werden, wie in der Erzdiözese Wien, Pfarren zusammengelegt. Das ist doch unumkehrbar, oder nicht?

Unumkehrbar ist es dort, wo sich Gemeinden alles gefallen lassen. Wir rufen die Gemeinden auf, sich auf die eigenen Beine zu stellen und den Bischöfen selbstbewusste Vorschläge zu machen und nicht zu warten, was kommt. Wir akzeptieren den Plan nicht und suchen Modelle, die Gemeinden langfristig sichern. Die sogenannten Laien sollten mehr Kompetenzen bekommen und in Seelsorgeteams mit Priestern Gemeinden leiten.

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