Leichtathletik-WM: Werktage ignoriert, leere Ränge

Olympiastadion
Olympiastadion(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ US Presswire)
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Nicht alles, was glänzt, ist Gold bei der WM in Berlin – Planung und Ticketdebatte sorgen für Unmut.

BERLIN (red./fin). Deutschland ist eine Sportnation. Fußball, Formel 1, Schwimmen, Eishockey, Basketball und Leichtathletik sind Kassenschlager. Stimmen auch Marketing und Infrastruktur, sind Partystimmung und Umsatzrekorde garantiert, das bewies die Fußball-WM 2006. Diesen Hype hatten sich die Organisatoren der Leichtathletik-WM auch erhofft. Doch trotz des Glanzes, den Superstar Usain Bolt ausstrahlt, oder der Emotionen, welche die Goldmedaille von Speerwerferin Steffi Nerius auslöste, ist das Berliner Olympiastadion (Fassungsvermögen 74.000) bislang an keinem Wettkampftag ausverkauft. Und großteils leere Ränge bei den Vormittagsveranstaltungen (an Werktagen) sorgen nun für Kritik.

Neun Wettkampftage seien eindeutig zu lang, poltern Kritiker wie der ehemalige 5000-Meter-Europameister Thomas Wessinghage. Drei würden vollkommen ausreichen, mit zehn oder mehr Entscheidungen – ausschließlich am Abend, nach Dienstschluss.

Keine Last-Minute-Tickets

Kompakt, TV- und zuschauerfreundlich, so wie es der Biathlonweltcup professionell vorexerziert, so könnte auch die Leichtathletik punkten. Das Highlight muss dabei das 100-Meter-Finale der Herren sein – als krönender Abschluss. Jetzt steigt der Herrensprint schon am zweiten WM-Tag, danach sind die zuvor mühselig erzeugte Spannung und das Interesse der Fans verpufft. Sein starres System der alle zwei Jahre stattfindenden WM verändert der Weltverband Iaaf aber nicht.

Auch schrecken viele die Kartenpreise ab. Die billigste Kategorie kostet in Berlin 23 Euro, die teuerste über 150 Euro. Dafür sind acht Bewerbe und vier Finalentscheidungen zu sehen. Das Programmheft verschlingt acht Euro, auch Currywurst (3,30 €), Pommes frites (2,50 €) und Getränke belasten das Familienbudget.

Weil Sport auch in Deutschland ein Politikum ist, entbrannte eine Debatte. Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte ja vor WM-Beginn versprochen, dass „es keine leeren Plätze geben wird“. Dieser Zweckoptimismus ging aber ebenso schnell über die Hürden wie der Schrei nach Last-Minute-Tickets. Es wäre doch unfair allen anderen gegenüber, die früher Karten zum vollen Preis gekauft hätten, sagt Wowereit. Es gehe ja auch um die Refinanzierung. Warum aber erfreut sich diese Idee im Tourismus seit Jahren großer Beliebtheit?

„Es ist schwer, ein Stadion dieser Größe zu füllen, mit einem Programm, das nicht jeden Tag attraktiv ist“, sagt der Iaaf-Delegierte Helmut Digel. Hartmut Zastrow, Vorstand des Kölner Marktforschungsinstituts Sport+Markt, findet in der „Welt“ noch härtere Worte. „Was wir hier sehen in der Leichtathletik, ist ein Begräbnis erster Klasse.“ Eine WM, die nicht einmal im sportbegeisterten Deutschland funktioniere, sei „ein deutliches Zeichen des Untergangs“.

Dem Österreicher kann's egal sein. In Berlin waren nur vier ÖLV-Athleten am Start, und er bekommt von Emotionen, packendem Sport, Usain Bolt und heiteren Diskussionen kaum etwas mit – der ORF zeigt ja keine Livebilder. Bolts Weltrekord war am Sonntag in 190 Ländern live zu sehen. In Österreich aber hält sich auf und abseits der Tartanbahn ein hartnäckiges Blackout.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2009)

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