Deutschland: Kritik an Steinmeiers Flirt mit Moskau

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Der Außenminister warnte vor „Säbelrasseln“ gegen Russland durch Nato-Manöver in Osteuropa, an denen auch Deutschland beteiligt ist. Die CDU sieht ihn nun als „Putin-Versteher“.

Berlin. Was wollte er damit nur erreichen? Frank-Walter Steinmeiers rhetorische Annäherung an Russland und gleichzeitige Kritik an der Nato beschäftigt Deutschland. Zumindest als „missverständlich“ bezeichnete CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen die Aussagen des SPD-Außenministers. Der hatte am Wochenende die gegen Russland gerichteten Nato-Manöver in Osteuropa kritisiert. „Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Für den Außenminister eines Nato-Mitglieds, das selbst an Aktionen teilnimmt, wirkt das befremdlich.

Dementsprechend fielen auch die Reaktionen aus – vor allem der Koalitionspartner CDU zeigte sich irritiert, immerhin habe ja nicht die Nato Grenzen verschoben – sondern Russland mit der Annexion der Krim im März 2014. Von Röttgen, der von einem „ungeheuerlichen Vorwurf“ sprach, bis zum stellvertretenden CDU-Vorsitzenden, Volker Bouffier, der ein „falsches Signal an Putin“ ortete. Sogar als Putin-Versteher wurde Steinmeier in der Union bezeichnet.

Tatsächlich kam aus dem Kreml, wenig überraschend, Lob für den Außenminister. Als „Stimme der Vernunft“ wurde er bezeichnet. Und es ist nicht das erste Mal, dass sich Steinmeier für eine Aufweichung der Linie gegenüber Russland einsetzte. Schon Ende Mai hatte er gemeint, Sanktionen dürften kein Selbstzweck sein. Vielmehr, meinte der Außenminister, sollte man sie so einsetzen, dass sie Fortschritten dienen, etwa bei der Umsetzung des Minsk-Prozesses, der Friedensvereinbarung zwischen Russland und der Ukraine.

Großmanöver nahe der Grenze

Vor allem im Osten Europas hat man keine Freude mit Steinmeiers Ideen. Hier setzt man auf Hilfe der Nato gegen eine Bedrohung durch Russland. Insbesondere die baltischen Staaten und Polen fürchten, dass es ihnen ähnlich wie der Krim ergehen könnte. Das ist auch der Grund, warum dort bald bis zu tausend Nato-Soldaten stationiert werden, mit Beteiligung der deutschen Bundeswehr. Auch die Militärübung Saber Strike mit 10.000 Soldaten aus 13 Staaten, die im Baltikum, 150 Kilometer von der russischen Grenze, gestartet wurde, ist Teil der Abschreckungspolitik. Und nicht zuletzt spielte Polen kürzlich einen Angriff Russlands als Großmanöver durch. Formal als nationale Übung, aber mit Beteiligung fast aller Nato-Staaten, inklusive Deutschlands.

Es mag vor allem dieses Manöver in Polen gewesen sein, das Steinmeier gemeint hat. Immerhin waren daran auch Mitglieder polnischer paramilitärischer Truppen und einer Freiwilligenmiliz beteiligt. Schon CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen tat sich bei einer Veranstaltung vor der Auslandspresse Anfang Juni schwer – und sagte lieber gar nichts dazu, es sei ja eine nationale Initiative, kein Nato-Manöver. Nur sagte Steinmeier das so nicht, sondern fiel mit seinen Aussagen der gesamten Nato – und der deutschen Beteiligung – in den Rücken.

Und er bleibt auch bei seiner Linie, er habe den Eindruck, dass die Nato völlig auf Austausch und Dialog vergesse. Genau das brauche es aber, um Konflikte zu entspannen. Er lasse sich jedenfalls nicht als „Anwalt des Kreml“ diskreditieren. Die Entscheidung, wegen der Krim-Annexion und der militärischen Aktivitäten in der Ostukraine als Nato gemeinsam zu reagieren, halte er nämlich nach wie vor für richtig.

Dass der als besonnen geltende Außenminister mit seinen Äußerungen für Unruhe sorgt, könnte auch einen innenpolitischen Grund haben. So hat sich am Wochenende auch Altkanzler Gerhard Schröder zu Wort gemeldet und die Nato-Politik gegen Russland als Fehler bezeichnet. Genau er, der geschäftlich mit dem Kreml verbunden ist, soll in der SPD zuletzt wieder beratend tätig sein. Und die sandte zuletzt auch strategische Grüße an ein mögliches rot-rot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl 2017 aus. Etwa durch einen Artikel von SPD-Chef Sigmar Gabriel im „Spiegel“, in dem er ein Bündnis der progressiven Kräfte gegen rechts forderte. Eine neue Haltung zu Russland könnte also auch als ein kleines Signal an die Linke verstanden werden.

AUF EINEN BLICK

Deutschlands Außenminister, Frank-Walter Steinmeier (SPD), kritisierte in einem Interview Nato-Manöver in Osteuropa, die Teil der Abschreckungspolitik gegen Russland sind. Er meint, dass man mit „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ die Lage nur weiter anheize. Koalitionspartner CDU kritisiert Steinmeiers Äußerungen – die seien „ein falsches Signal an Putin“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2016)

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