Widerliche Männer gehören bestraft!

„Uns reicht's!“ tatsächlich: Eine Reform des Beleidigungsparagrafen 115 des Strafgesetzbuches ist überfällig.

Viele Formen der Beleidigungen und Kränkungen sind zu subtil, um von Strafrichtern verfolgt zu werden, auch wenn sie manchen jahrelang das Leben ruinieren. Man kann Leuten, die einen beleidigen, oft nur aus dem Weg gehen. Personen des öffentlichen Lebens haben diese Möglichkeit nicht. Zwar steht in jeder demokratischen Verfassung, die Würde des Menschen sei ein hohes Gut und gehöre geschützt, aber das Strafrecht kümmert sich nur um eindeutige Fälle.

Ein Angriff auf die Ehre wurde noch vor 100 Jahren manchmal mit einer Duellaufforderung beantwortet. Inzwischen scheint die Ehre keine große Rolle mehr zu spielen. Wer eine Ehrenbeleidigungsklage einreicht, trifft auf Polizisten, die das Delikt gern auf eine Bagatelle herunterdefinieren und sich die Arbeit einer Anzeige ersparen wollen. Und obwohl wir selbst bei Ehrenbeleidigungen empfindlich sind, finden wir Ehrenbeleidigungsklagen anderer etwas lächerlich und eine Sache von Querulanten, schrieb der Richter Thomas Fischer im Wochenblatt „Die Zeit“.

Es gibt seit Jahren im Internet neue Formen von Beleidigungen, denen Frauen im öffentlichen Leben – Politikerinnen, Schriftstellerinnen, Journalistinnen und Bloggerinnen – ausgesetzt sind, besonders wenn sie feministische Themen ansprechen. Eine englische Labour-Abgeordnete hat deswegen auf Twitter in einer Nacht 600Tweets mit dem Wunsch, sie möge vergewaltigt werden, erhalten. Auch die ermordete britische Abgeordnete Jo Cox war jahrelang wüsten sexuellen Verhöhnungen ausgesetzt.

Ein gesellschaftliches Problem

Diese Beleidigungen auf Twitter, Facebook, durch E-Mails und in den Zeitungsforen werden mehr, nicht weniger. Sie sind zu einem ernsten gesellschaftlichen Problem geworden. Vier österreichische Journalistinnen haben jetzt über ihre Social-Media-Erfahrungen mit Vergewaltigungswünschen, abfälligen Bemerkungen über ihre Körper, Drohungen und Beleidigungen geschrieben. Es ist eine Schande, welche aberwitzigen sexuellen Beleidigungen TV-Moderatorinnen, Ministerinnen, Bloggerinnen und viele andere täglich ertragen müssen.

Vergewaltigungswünsche

Damit Frauen nicht wieder aus der Öffentlichkeit gedrängt werden, müssen wir etwas tun und zum Beispiel das Beleidigungsgesetz so formulieren, dass miese sexuelle Anspielungen und verhöhnende Vergewaltigungswünsche im Internet strafbar werden. Zurzeit ist der österreichische Beleidigungsparagraf 115 so formuliert, dass man einer Frau online eine Massenvergewaltigung wünschen darf, und der Staatsanwalt kann die Anklage als „emotional und situationsbedingte Unmutsäußerung“ einstufen und gesetzeskonform ohne Klageerhebung ad acta legen.

Ich finde die Initiative „Uns reicht's!“ von Ingrid Thurnher, Corinna Milborn, Hanna Herbst und Barbara Kaufmann im letzten „Falter“ gegen jene widerlichen Männer, die sie straflos anonym oder mit vollem Namen mit allerlei sexuellen Anspielungen und Gewaltfantasien verhöhnen, richtig und wichtig. Und ich hoffe, dass sich bald kompetente Gesetzgeberinnen finden werden, die diese neuen Tatbestände ins Strafgesetzbuch aufnehmen.

Jene widerlichen Männer gehören bestraft, damit diese neuen Formen von Beleidigungen wieder verschwinden. Das ist keine Frage des guten Tons und der Sitte – dagegen haben wir ein Strafrecht. Es ist absurd, dass der bestraft wird, der Frauen mit einem eindeutigen Schimpfwort verhöhnt – aber nicht der, der ihnen eine Vergewaltigung wünscht und sie mit sexuellen Anspielungen verhöhnt.

Gerald Krieghofer (geb. 1953 in Lienz) hat in den vergangenen 25 Jahren hauptsächlich für die Österreichische Akademie der Wissenschaften gearbeitet und lebt als Philosoph und freier Autor in Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2016)

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