Hofburg-Wahl: „Hob i jetzt an Blödsinn verzapft?“

�FFENTLICHE VFGH-VERHANDLUNG ZUR BP-WAHL-ANFECHTUNG
�FFENTLICHE VFGH-VERHANDLUNG ZUR BP-WAHL-ANFECHTUNG(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bringt weitere Beispiele für unkorrekte Vorgänge und falsche Protokolle bei der Wahl des Bundespräsidenten.

Wien. Tag zwei in der Verhandlung um die behauptete Wahlmanipulation bei der Bundespräsidentenwahl – und dem Verfassungsgerichtshof bietet sich ein ähnliches Bild wie an Tag eins: Er ist mit Beamten aus den Bezirkshauptmannschaften konfrontiert, die recht freizügig mit gesetzlichen Bestimmungen umgehen, und mit Wahlbeisitzern, die das nicht stört und die bereitwillig falsche Protokolle unterschreiben. Aber: Es gibt weiterhin keine konkreten Hinweise auf eine bewusste Manipulation des Wahlergebnisses.

Ob Letztere für eine Neuaustragung der Wahl notwendig sind, muss der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entscheiden. In der Vergangenheit hat das Höchstgericht bereits bei Formfehlern Wahlwiederholungen angeordnet – allerdings nur in einzelnen Wahlsprengeln oder Gemeinden, noch nie für eine bundesweite Wahl.

Diesmal könnte es dazu kommen, denn in etlichen Bezirken war die Auszählung der Briefwahlstimmen problematisch gestaltet. Beispiel Wien Umgebung: Da beschloss der Wahlleiter, bereits am Wahlsonntag die Kuverts zu öffnen und ungültige Einsendungen auszusortieren – ein Vorgang, der laut Gesetz erst ab Montag, neun Uhr, stattfinden darf. Was in dem Fall erschwerend dazukommt: Die Beisitzer waren über den Vorgang nicht informiert und hätten gar nicht dabei sein können.

Zeitdruck aus dem Ministerium

Warum diese Vorgangsweise gewählt wurde? Der Wahlleiter macht Druck aus dem Innenministerium dafür verantwortlich: Beim ersten Wahlgang sei man erst um 18.30 Uhr fertig geworden und dafür gerügt worden, diesmal habe es 11.000 statt 6500 Briefwahlstimmen gegeben. Robert Stein, Leiter der Bundeswahlbehörde, widerspricht: Beim ersten Wahlgang seien alle Briefwahlstimmen bereits um 17 Uhr ausgezählt gewesen.

Als der Bezirkshauptmann von Hermagor (Kärnten) eine ähnliche Vorgangsweise als rechtlich korrekt darstellen will, scheint es den Verfassungsrichtern zu reichen: Sie halten dem Beamten falsche Protokolle vor: So hat dieser eine Sitzung am Wahlabend protokolliert, zu der es gar keine explizite Einladung an die Wahlkommission gegeben hat und die laut Protokoll von Sonntag, 17 Uhr, bis Montag, neun Uhr, gedauert haben soll. Nicht angeführt ist in dem Protokoll, was in der Zeit tatsächlich passierte: Die Öffnung und Vorsortierung der Wahlkarten.

Welchen Bedarf es dafür gegeben habe angesichts der Tatsache, dass es in Hermagor nur 1700 Wahlkarten gab, will VfGH-Präsident Gerhart Holzinger wissen. Der Bezirkshauptmann verweist auf die besondere Situation in Kärnten: Speziell FPÖ und BZÖ hätten immer Probleme gehabt, die Posten der Beisitzer zu besetzen. Daher habe man sich bemüht, durch Vorarbeiten der Behörde die Arbeit der Wahlkommission zu verkürzen. Immerhin: In Hermagor hatte die Wahlkommission einen Beschluss für diese (rechtswidrige) Vorgangsweise gefasst. Die Beisitzer waren informiert und einverstanden. Nicht einverstanden ist der Vorsitzende der Bundeswahlbehörde: „Ich teile die Rechtsansicht der Bezirkshauptmannschaft in keinster Weise“, sagte Robert Stein auf direkte Nachfrage Holzingers. Es gebe in diesem Verfahren mehrere Fälle von Schlampereien, aber andere Bezirke hätten gezeigt, dass man eine vollkommen gesetzeskonforme Auszählung vollziehen könne.

Ein Beispiel dafür war der unmittelbar davor verhandelte Bezirk Landeck (Tirol). Dort hatte der FPÖ-Beisitzer behauptet, dass Wahlkuverts ebenfalls im Vorfeld geöffnet worden seien. Eine Angabe, die nicht nur der Wahlleiter, sondern auch alle anderen Zeugen entschieden abstritten. Der FPÖ-Beisitzer war nicht zur Verhandlung erschienen. Einige Verwirrung gab es um die Frage, ob dieser den Vorgang überhaupt beobachtet haben konnte, war er doch laut Wahlleiter erst um 11.30 Uhr erschienen. Die SPÖ-Beisitzerin wollte ihn dagegen schon um neun Uhr gesehen haben. Mit den Worten „Hob i jetzt an Blödsinn verzapft?“ nahm sie wenig später ihre Aussage wieder zurück.

Erstmals entschlug sich gestern ein Zeuge der Aussage. Der Wahlbehördenleiter des Bezirks Freistadt (Oberösterreich) führte aus, er fürchte strafgesetzliche Folgen und wolle sich nicht selbst belasten. Zuvor hatte ein FPÖ-Beisitzer berichtet, dass die Wahlkarten in Freistadt vorzeitig ausgezählt worden waren.

Reform der Briefwahl

Die Verhandlungen vor dem VfGH gehen heute, Mittwoch, weiter, und auch politische Konsequenzen sind schon in Sicht. Innenminister Wolfgang Sobotka sprach am Dienstag von untragbaren Schlampereien. Es müsse eine Reform der Briefwahl geben, die eine für Wahlkommissionen und Behörden praktikable Lösung bringen müsse. Er habe die Parteienvertreter schon gebeten, sich darüber Gedanken zu machen. Das Innenministerium könne nur „schauen, dass das Gesetz eingehalten wird“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2016)

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