US-Wahl: Chaostage bei Trump

Presumptive Republican Presidential Nominee Donald Trump Holds Atlanta Campaign Rally
Presumptive Republican Presidential Nominee Donald Trump Holds Atlanta Campaign Rally(c) Bloomberg (Luke Sharrett)
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Miese Umfragewerte, mangelnde Wahlspenden und eine Rebellion in der eigenen Partei: Donald Trumps Präsidentschaftskampagne steckt knietief in der Krise.

Washington. „Lasst Trump einfach Trump sein“: Mit diesem Mantra begleitete der ehemalige Polizist Corey Lewandowski seinen Kandidaten Donald Trump zu Beginn des Jahres bei den republikanischen Vorwahlen für die US-Präsidentschaft von Sieg zu Sieg. Laut, rüde und stets bereit für einen haarsträubenden Angriff auf seine Gegner, Frauen, Behinderte oder ganze Nationen wurde der einstige Bauherr und heutige Selbstvermarkter zur größten politischen Überraschung seit langer Zeit. Kein Tag vergeht, an dem Trumps neueste Wortmeldungen nicht auf allen landesweiten Kabelfernsehstationen minuziös seziert werden: Meint er das wirklich so? Will er nur provozieren? Trifft er damit den richtigen Ton bei einer frustrierten weißen Gesellschaftsschicht, die sich wirtschaftlich und kulturell abgehängt fühlt?

Die Antwort auf diese Fragen wird erst am 8. November, dem Wahltag, verbindlich beantwortet. Zumindest eines kann man viereinhalb Monate vorher schon sagen: Es schaut sehr schlecht aus für Trump. Im Durchschnitt der Umfragen lag seine demokratische Gegnerin Hillary Clinton am Dienstag mit 45 Prozent vor seinen 39,2 Prozent. Nimmt man Gary Johnson dazu, den Kandidaten der Libertären Partei, schaut es nicht viel besser aus: Clinton bekäme 40,7 Prozent, Trump 35,1 Prozent und Johnson neun.

Revolte am Parteitag?

Am Montag entließ der Kandidat seinen Manager und lange Zeit engsten Vertrauten Lewandowski. Nach und nach hatte sich offenbart, wie problematisch dessen Nähe zu Trump ist. Er schirmte den ohnehin ziemlich beratungsresistenten Trump eifersüchtig von Beratern, Freunden und Parteistrategen ab. Damit rüttelte er immer stärker an den Nerven des Establishments der Partei. Diesen Profis ist klar, dass man nicht kraft unterhaltsamer Twitter-Meldungen und unzähliger Fernsehinterviews ins Weiße Haus einzieht. Dafür braucht es eine organisierte und entsprechend finanzierte Wahlkampfmaschine.

Die ist nicht zu sehen. Trump beschäftigt 70 Mitarbeiter in seiner Kampagnenzentrale, Clinton knapp 700. Clinton hat laut aktuellem Bericht der US-Bundeswahlbehörde allein im Mai 28 Millionen Dollar (24,7 Millionen Euro) an Spenden gesammelt und hatte zu Beginn dieses Monats 42 Millionen Dollar an frei verfügbaren Reserven. Trump hingegen hat im Mai nur 3,1 Millionen Dollar eingetrieben und steht derzeit mit weniger als 1,3 Millionen Dollar an Bargeld da. Sogar Bernie Sanders, der mittlerweile chancenlose sozialistische Herausforderer Clintons, hatte per 1. Juni 9,2 Millionen Dollar zur Verfügung: siebenmal mehr als Trump.

Kommt es nächsten Monat auf dem republikanischen Parteitag in Cleveland zu einer Revolte verärgerter Delegierter? Vermutlich. Rund 400 haben sich zusammengeschlossen, um die Abstimmungsregeln so zu ändern, dass nicht das Ergebnis der jeweiligen Vorwahl zählt, sondern jeder Gesandte nach eigenem Gewissen abstimmen kann.

Doch abgesehen davon, dass damit der Wille der 13,3 Millionen Trump-Wähler hintergangen würde, haben die „Never Trump“-Aktivisten keine Antwort auf die wesentliche Frage: Wer, wenn nicht er?

Mordversuch in Las Vegas

Trump polarisiert, ruft Geister, die ihn beinahe selbst heimgesucht hätten. Ein 19-Jähriger wollte ihn, wie nun bekannt wurde, am Samstag bei einem Wahlkampfauftritt in Las Vegas töten. Er versuchte einem Polizisten die Waffe zu entreißen, um Trump damit zu erschießen. Der verhinderte Attentäter, ein Brite, lebt seit 18 Monaten in den USA.

AUF EINEN BLICK

Donald Trump liegt derzeit im Durchschnitt der Umfragen 5,8 Prozentpunkte hinter seiner demokratischen Gegnerin Hillary Clinton. Am Montag hat er seinen Kampagnenleiter Corey Lewandowski entlassen, doch seine Probleme werden sich damit allein nicht lösen lassen. Trump hat nur ein Zehntel der Wahlkampfmitarbeiter von Clinton und liegt sowohl beim Eintreiben neuer Spenden als auch bei den verfügbaren Geldmitteln für den Wahlkampf derzeit weit hinter ihr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2016)

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