FPÖ-Wahlbeisitzer: "Gesetz absolut unvollziehbar"

Auszählung in Liezen für FP-Beisitzer "korrekt"
Auszählung in Liezen für FP-Beisitzer "korrekt"APA/GEORG HOCHMUTH
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Dritter Tag der Zeugenbefragungen am VfGH: In Liezen lief die Auszählung "exzellent". In Bregenz und Kufstein wurden Wahlkuverts vorzeitig geöffnet, in Graz-Umgebung wurden Vorgaben seit 2013 nicht eingehalten.

Der Verfassungsgerichtshof hat am Mittwoch seine Zeugenbefragungen zur Bundespräsidentenwahl 2016 fortgesetzt. Zu hören bekamen die Richter um Präsident Gerhart Holzinger zwei Extrembeispiele: Während die Briefwahl in Liezen "exzellent" ablief, räumte der Bezirkshauptmann von Graz-Umgebung ein, die gesetzlichen Vorgaben wegen Überlastung seit 2013 nicht exakt einhalten zu können. 

In Liezen erwiesen sich die Vorwürfe der FPÖ gegen die Auszählung der Briefwahlstimmen als unbegründet. Sowohl der FP-Beisitzer in der Bezirkswahlbehörde als auch Bezirkshauptmann Josef Dick schilderten den Verfassungsrichtern am Mittwoch eine völlig korrekte Auszählung. Von Präsident Gerhart Holzinger gab es dafür sogar Lob.

Lob vom VfGH-Präsidenten

"Das ist in ihrem Fall wirklich ganz exzellent abgelaufen", bestätigte Holzinger dem Bezirkshauptmann. Dieser hatte zuvor eine korrekte Auszählung der Briefwahlstimmen geschildert: Demnach wurde die Bezirkswahlbehörde für Montag, 9 Uhr geladen. Als alle Beisitzer anwesend waren, wurde mit der Öffnung der Briefwahlkuverts begonnen. Mit der "Sofortmeldung" des Ergebnisses an die Landeswahlbehörde, die in einigen Bezirken schon erfolgte, bevor das Resultat durch die Bezirkswahlbehörde bestätigt war, wartete der Bezirkshauptmann bis nach Ende der Sitzung zu. Holzinger gratulierte ihm für den korrekten Ablauf der Auszählung und fragte die FP-Vetreter, ob sie die Anfechtung in diesem Punkt zurückziehen wollen. Rechtsanwalt Rüdiger Schender sagte zu, das zu erwägen

>> Wie die Auszählung der Briefwahlstimmen hätte ablaufen müssen

und verzichtete auf weitere Zeugenbefragungen zu diesem Bezirk.

Öffnung der Kuverts in Bregenz vorzeitig begonnen

Der für die Briefwahl in Bregenz zuständige Beamte beklagte Zeitdruck bei der Auszählung. Damit begründete er auch, dass die Öffnung der Wahlkarten bereits eine Stunde vor dem gesetzlich vorgesehenen Termin begann. Etwa 1500 der 9523 Wahlkarten wurden vorzeitig geöffnet. Einen Manipulationsverdacht hegt diesbezüglich aber auch der Wahlbeisitzer der FPÖ nicht, wie er sagte.

Zwar verfügte der Bezirkswahlleiter über eine auch von den Beisitzern unterstützte Ermächtigung der Wahlbehörde, die Auszählung der Briefwahlstimmen selbstständig vorzubereiten. Dass diese Ermächtigung auch die Öffnung der Wahlkarten bereits vor dem gesetzlich vorgesehenen Termin (Montag 9 Uhr) durch einfache Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft erlaubt, bezweifelten die Verfassungsrichter in der Befragung des für die Briefwahl zuständigen stellvertretenden Wahlleiters allerdings.

"Ich habe gehört, dass der Minister das Wahlergebnis verlautbaren wollte"

Der Beamte räumte ein, dass er selbst die Öffnung der Wahlkarten - die ab 8 Uhr erfolgte - nicht überwachte. Das "Schlitzen" der Briefwahlkuverts schon vor 9 Uhr zu beginnen, war seiner Darstellung zufolge eine eigenmächtige Entscheidung der zuständigen Mitarbeiterinnen: "Das war ein Gemeinschaftsbeschluss dieser drei Bediensteten, die hatten Zeitdruck." Auch er selbst stand demnach unter Druck, das Ergebnis er Briefwahl rasch vorzulegen. Denn Bregenz sei unter den vier letzten Bezirken gewesen und im Nachhinein sei ihm auch von einem Anruf des Innenministeriums berichtet worden: "Ich habe gehört, dass der Minister das Wahlergebnis verlautbaren wollte."

Auch in Kufstein wurde ein Teil der 5313 Wahlkarten bereits vor dem gesetzlich festgelegten Zeitpunkt geöffnet - nämlich am Montag zwischen 8 und 9 Uhr. Außerdem wurde die Öffnung nicht durch die Beisitzer überwacht, sondern fand mit einer Maschine im Stockwerk darüber statt.

"Bundespräsidentenwahlgesetz in der jetzigen Form absolut unvollziehbar"

Die Vorgehensweise wurde aber auch vom FP-Beisitzer verteidigt. "Ich halte das Bundespräsidentenwahlgesetz in der jetzigen Form für absolut unvollziehbar. Wenn der Bezirkshauptmann das gemacht hätte, was im Gesetz steht, wären wir drei Tage da gesessen", sagte der Beisitzer, ein früherer Rechtsanwalt und FP-Politiker. Manipulationsverdacht hegt er nicht: "Ich habe zu allen Persönlichkeiten, die da anwesend waren, so ein Vertrauen, dass ich der Meinung bin, dass es keine Unregelmäßigkeiten gegeben hat."

Der Bezirkshauptmann betonte, dass es einen Beschluss der Wahlbehörde gab, bestimmte Vorbereitungsarbeiten für die Briefwahl-Auszählung an die Beamten abzutreten. Ob der Beschluss neben der Aussortierung der nicht korrekt ausgefüllten Wahlkarten auch die Öffnung der gültigen Wahlkarten umfasse, habe man nicht präzisiert. Die Beisitzer waren diesbezüglich unterschiedlicher Meinung: Die Grüne Beisitzerin ging davon aus, dass auch die Öffnung durch die Beamten geplant war, ihr FP-Kollege nicht.

"Wenn ich nicht fertig bin, ist der Schwarze Peter sicher bei der Behörde"

Der Bezirkshauptmann von Graz-Umgebung räumte ein, die gesetzlichen Vorgaben wegen Überlastung seit 2013 nicht exakt eingehalten zu haben. So wurden die Briefwahlkuverts beim ersten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl schon am Sonntag "geschlitzt", bei der Stichwahl sogar schon ab Freitag. Die Auszählung erfolgte ab 7.15, also zwei Stunden zu früh.  Allerdings hatte der Beamte wegen des knappen Ergebnisses explizit bei FPÖ und Grünen um die Entsendung von Beisitzern gebeten - letztlich kamen aber nur zwei Grüne.

Das Abweichen von den gesetzlichen Vorgaben begründete der Beamte mit den zahlreichen Wahlkarten: 15.901 Briefwahlstimmen wurden gezählt. Hätte man das "lege artis" gemacht, hätte allein das "Schlitzen" der Kuverts acht Stunden gedauert, so der Bezirkshauptmann. Er sei unter Druck gestanden, rasch zu liefern: "Es war jedem von uns bekannt, dass der Herr Bundesminister ein Ergebnis bekannt geben will und wenn ich nicht fertig bin, ist der Schwarze Peter sicher bei der Behörde."

Dass die "geschlitzten" Kuverts bis zu drei Tage in einem (versperrten) Raum der Bezirkshauptmannschaft lagen, ist für den Beamten übrigens kein Problem. Manipulation drohe hier keine, erklärte er den Richtern. Denn in der Praxis lasse sich das in der Wahlkarte befindliche Stummkuvert nicht unbemerkt entnehmen: "Das Kuvert ist geöffnet, aber man sieht, dass niemand drinnen war."

Beim Wahlabteilungsleiter des Innenministeriums, Robert Stein, stieß der Bezirkshauptmann mit seinen Schilderungen auf Unverständnis. Er versicherte dem Gericht, bis zur Bundespräsidentenwahl nichts von derartigen Unregelmäßigkeiten gewusst zu haben. Wenn das "Schlitzen" zu lange dauere, müsse man eben eine zweite oder dritte Maschine dafür besorgen, betonte Stein.

Anfechtung der Hofburg-Stichwahl

Der Grüne Alexander Van der Bellen hat die Bundespräsidenten-Stichwahl mit 30.863 Stimmen Vorsprung vor FPÖ-Kandidat Norbert Hofer gewonnen. Wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten (vor allem bei der Auszählung der Briefwahlstimmen) in 94 der 117 Wahlbezirke hat die FPÖ die Wahl angefochten. Zu 20 besonders schwerwiegenden Fällen hat der Verfassungsgerichtshof öffentliche Zeugenbefragungen angesetzt, die noch bis Donnerstag dauern. Kommende Woche folgt ein weiterer öffentlicher Verhandlungsblock, in dem auch die Parteienvertreter zu Wort kommen sollen. Mit einer Entscheidung des VfGH wird in den Tagen vor der geplanten Angelobung am 8. Juli gerechnet.

(APA/Red.)

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