"Black Friday": Brexit treibt Europas Börsen tief ins Minus

Boerse in Frankfurt/Main nach Brexit-Abstimmung
Boerse in Frankfurt/Main nach Brexit-AbstimmungAPA/dpa/Frank Rumpenhorst
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Der Euro-Stoxx-50 bricht um sieben Prozent ein. Der Crash an den Börsen hat Experten zufolge weltweit fünf Billionen Dollar an Börsenwert vernichtet.

Noch gestern herrschte weltweit Optimismus an den Finanzmärkten. Heute sind die Europäischen Leitbörsen im Verlauf nach dem britischen "Ja" zum Austritt aus der Europäischen Union (EU) massiv unter die Räder gekommen. Bereits an den asiatischen Börsen waren die Kurse nach dem Brexit-Votum eingebrochen. Der japanische Nikkei-225 stürzte um fast acht Prozent ab. An der Wall Street werden heute ebenfalls herbe Verluste erwartet. Durch die Bank gab es massive Kurseinbrüche zu verzeichnen, die Investoren flüchteten in sichere Häfen wie Gold und deutsche Anleihen.

In Europa gab es am frühen Nachmittag schwere Abschläge zu verzeichnen. Der Euro-Stoxx-50 knickte gegen 13.50 Uhr um 9,18 Prozent auf 2.759,04 Punkte ein. Nach dem Schock zum Handelsstart hat der Index damit aber vorerst einen Boden gefunden. Der deutsche DAX konnte sein anfängliches Minus sogar etwas eindämmen und notierte im Mittagshandel bei 9.522,54 Punkten, das ist ein Minus von 7,16 Prozent.

Auch an den US-Börsen hat das Votum der Briten die Märkte klar ins Minus gedrückt. Der Dow Jones in New York gab gleich zu Handelsbeginn um 500 Punkte nach. Gegen 15.50 Uhr lag der Dow Jones Industrial Index um 2,53 Prozent tiefer bei 17.555,93 Zähler. Der S&P-500 Index verlor 2,63 Prozent. Der Nasdaq Composite Index gab um  2,98 Prozent auf 4.763,57 Einheiten nach. Damit kamen die US-Indizes verhältnismäßig glimpflich davon.

Moderates Minus für britischen FTSE

Noch schlimmer erwischte es die Börsen in Mailand und Madrid, die um zehn bzw. sogar zwölf Prozent absackten. In Spanien wird am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Der heimische Leitindex ATX stand zu Mittag mit einem Minus von 7,0 Prozent bei 2085 Punkten. Im Frühhandel lag der ATX zeitweise zweistellig im roten Bereich.

Ein vergleichsweise moderates Minus verzeichnete dagegen der britische FTSE-100, der 4,39 Prozent verlor und zuletzt bei 6.060,02 Stellen stand. Börsianer verwiesen als möglichen Grund für die relative Stärke des "Footsie" auf den Absturz des britischen Pfund. Auch der angekündigte Rücktritt von Premierminister David Cameron, der offiziell gegen einen Brexit eingetreten war, sorgte vorerst nicht für stärkere Abschläge.

Crash hat fünf Billionen Dollar vernichtet

Auf Talfahrt gingen auch die Ölpreise. Der Kurs für die Nordseesorte Brent knickte zum europäischen Handelsstart um rund fünf Prozent auf 48,30 Dollar ein, der US-Ölpreis WTI ging in gleichem Ausmaß zurück und notiert bei rund 47,5 Dollar.

Der Crash an den Börsen hat Experten zufolge weltweit fünf Billionen Dollar (4,39 Billionen Euro) an Börsenwert vernichtet. Dies entspreche dem Doppelten der gesamten Wirtschaftsleistung Großbritanniens und 17 Prozent der Wirtschaftsleistung der G7-Staaten im vergangenen Jahr, schrieb Aktienstratege Christian Kahler von der deutschen DZ Bank in einem Kurzkommentar. Allein im deutschen Leitindex DAX hätte sich eine Marktkapitalisierung von 95 Mrd. Euro "in Luft aufgelöst".

"Alle falsch positioniert"

Die Entscheidung für den Austritt aus der Union traf die Akteure an den Finanzmärkten völlig unerwartet. "Alle sind falsch positioniert", sagte ein Börsianer in der Früh. "Keiner hat damit gerechnet, dass die Briten wirklich austreten. Jetzt gibt es immensen Absicherungsbedarf."

Dementsprechend waren "sichere Häfen" gesucht. So sprang Gold um 4,4 Prozent auf über 1.300 Dollar nach oben und steht nun bei 1.322,95 Dollar. Trotz des größten Tagesgewinns beim Goldpreis seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 hätte es laut den Commerzbank-Experten für das Edelmetall noch höher hinauf gehen können. Doch der starke US-Dollar habe einer solchen Entwicklung vorgebeugt.

Pfund bricht ein

Die britischen 10-Jahresrenditen sind nach dem Ja der Briten deutlich gesunken. Innerhalb nur eines Tages sanken sie von 1,35 auf nunmehr 1,073 Prozent. Das ist der für das Land billigste Wert für die Refinanzierung seit mehr als zehn Jahren.

"An der Börse muss man auch stets das Unmögliche denken", sagte Marktexperte Daniel Saurenz. Dies hätten die Investoren am zuletzt offenbar nicht mehr getan. Der bisher schwärzeste Tag im DAX war 1989 mit einem Rutsch um 12,81 Prozent. Um diesen Negativrekord einzustellen, müsste der DAX aber deutlich unter 9.000 Punkte abrutschen.

Während das Pfund einbrach und auf den tiefsten Stand seit 31 Jahren fiel, war vor allem der japanische Yen als Fluchtwährung gesucht.

Bank of England stellt Milliarden bereit

Die britische Notenbank rechnet für Großbritannien nach dem Votum mit einer Zeit der Unsicherheit. Die Zentralbank stehe aber bereit, das Funktionieren der Märkte zu garantieren, sagte der Chef der Bank von England (BoE), Mark Carney am Freitag in London. Zur Geldversorgung der Finanzwirtschaft könnten zusätzliche 250 Mrd. Pfund (326 Mrd. Euro) abgerufen werden.

Wenn notwendig, könne die britische Notenbank auch erhebliche Liquidität in Fremdwährung bereitstellen. Die Bank von England will zudem prüfen, ob sie weitere Schritte in den kommenden Wochen einleiten wird.

(APA/dpa-AFX/Reuters)

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