„Einzelne Unternehmen werden zum Handkuss kommen“

Wirtschaftsflaute ist auch bei den Maschinenbauern  angekommen
Wirtschaftsflaute ist auch bei den Maschinenbauern angekommen(c) FMMI (Foto Fischer)
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Großbritannien ist der achtwichtigste Exportmarkt für Österreich. Die Maschinen- und Metallindustrie rechnet mit spürbaren Auswirkungen eines Brexit.

Wien. „Wir haben, ehrlich gesagt, nicht geglaubt, dass es so weit kommt“, sagt Berndt-Thomas Krafft, Geschäftsführer des Verbandes der Maschinen-, Metallwaren- und Gießereiindustrie. Die Branche sei nach der chemischen Industrie jene, die am stärksten mit der britischen Wirtschaft verflochten ist, die Firmen beschäftigen über 111 Auslandstöchter 32.600 Mitarbeiter im Königreich. „Wir werden wahrscheinlich sehr stark darunter leiden“, sagt Krafft.

Nach dem Referendum heißt es für die betroffenen Firmen abwarten. Entscheidend werden die Details des Ausstiegs sein. Werden Zollschranken errichtet? Wird die Personenfreizügigkeit stark eingeschränkt? Derzeit ist Großbritannien für Österreich der achtgrößte Exportmarkt. Die Warenexporte auf die Insel stiegen im Vorjahr um sechs Prozent auf 4,17 Milliarden Euro – ein Rekordwert. Gut die Hälfte der Exporte waren Maschinen und Fahrzeuge. 2014 betrug das Plus fast zehn Prozent.

Für den Vorarlberger Lichttechnikkonzern Zumtobel ist Großbritannien mit 240 Millionen Euro Jahresumsatz der wichtigste Absatzmarkt. Die Unsicherheit sei schon vor dem Referendum spürbar gewesen, es habe Verzögerungen bei Aufträgen gegeben, Bauprojekte seien verschoben worden, so eine Sprecherin. Ein Rückgang der britischen Wirtschaft hätte auch negative Auswirkungen auf das dortige Geschäft. Hingegen würde ein schwaches Pfund die Produktionskosten in Großbritannien senken – der Konzern hat ein großes Werk in Nordengland. Die Zumtobel-Aktie verlor am Freitag zeitweise über elf Prozent.

Christian Kesberg, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in London, sagt: „Einzelne Unternehmen, die stark auf Großbritannien spezialisiert sind, werden zum Handkuss kommen.“ Viele Firmen seien aber in Nischen tätig und nicht ersetzbar. Vor den Verhandlungen müsse man die Kirche im Dorf lassen. „Großbritannien ist noch immer die zweitgrößte Wirtschaft Europas und bleibt es wohl auch – und damit weiterhin ein spannender Markt für österreichische Firmen.“

Kein Drama für den Tourismus

Die heimische Tourismusbranche gibt sich entspannt. Walter Säckl, Generalsekretär des Österreichischen Reiseverbands, ortet „keine wahnsinnige Auswirkung“ auf den österreichischen Tourismus. 2015 machten die 876.000 englischen Urlauber nur 3,3 Prozent der 175 Millionen ausländischen Gäste aus. Die 639 Millionen Euro, die sie im Land ließen, trugen überschaubare 3,9 Prozent zu den Reiseverkehrseinnahmen bei.

„Volkswirtschaftlich gesehen ist das für Österreich eine verkraftbare Bagatelle“, sagt Tourismusforscher Peter Zellmann. Selbst wenn sich ein Szenario wie bei den Russen wiederhole, die durch Rubel-Verfall und Sanktionen ausbleiben, und wegen der Pfundschwäche 30 bis 40 Prozent weniger Briten kämen, fiele das nicht ins Gewicht. Für Österreicher, die auf die Insel reisen, sieht er diesen Sommer Preisvorteile durch das geschwächte Pfund. Eine Langzeitprognose wagen beide nicht. Helga Freund, Vorstand der Verkehrsbüro-Gruppe, weist auf die langfristigen Auswirkungen hin: „Roaminggebühren, Fluggastrechte – vieles wird jetzt neu verhandelt werden müssen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2016)

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