Die britische Regierung gerät wegen der Freilassung des Lockerbie-Attentäters Abdel Megrahi zunehmend unter Druck. Vor allem, weil Saif Gaddafi, Sohn des libyschen Staatschef, die Amnestie in Zusammenhang mit wirtschaftlichen Verhandlungen brachte.
Überschwänglich lobende Worte des libyschen Staatschefs Muammar al Gaddafi für Großbritannien nach der Freilassung des Lockerbie-Attentäters Abdel Bassit al Megrahi haben die Regierung in London unter Druck gebracht. Zusätzliche Bemerkungen von Gaddafis Sohn Saif al Islam, Al Megrahi sei bei Handelsgesprächen ein ständiges Thema gewesen, ließen die britische Opposition am Samstag nach einer Untersuchung rufen.
Heldenhafter Empfang
Nach massiver Kritik der britischen Regierung am Heldenempfang für den ehemaligen Geheimdienstagenten in Tripolis rückten Äußerungen der Gaddafis in den Mittelpunkt der Kontroverse: Der libysche Staatschef dankte Premierminister Gordon Brown, Königin Elizabeth II. und deren Sohn Prinz Andrew dafür, die schottische Regierung dazu ermutigt zu haben, "trotz aller Hindernisse diese historische und mutige Entscheidung zu treffen". Der Buckingham-Palast erklärte dazu, die Begnadigung des Todkranken sei "vollständig eine Angelegenheit der schottischen Regierung" gewesen.
Freilassung aus Handelsinteresse?
Saif al Islam Gaddafi sagte bei einem vom libyschen Fernsehen übertragenen Empfang für Megrahi, dessen Freilassung sei bei Kontakten zu Großbritannien stets angesprochen worden. "Tatsächlich war das bei allen von mir beaufsichtigten Handels-, Öl- und Gasabkommen ein Thema", sagte er. "Wenn es um britische Interessen ging, war Ihr Schicksal mit auf dem Tisch. Und ich habe diese Angelegenheit selbst beaufsichtigt." Schon zur Amtszeit von Browns Vorgänger Tony Blair habe der Einsatz für Megrahis Freilassung begonnen: "Die libysch-britischen Handels- und Politikinteressen waren darauf ausgerichtet, Sie freizulassen."
..oder doch humanitäre Gründe?
Der außenpolitische Sprecher der britischen Konservativen, David Lidington, sagte dazu, es müsse zweifelsfrei geklärt werden, dass Megrahis Freilassung nicht doch ein politischer Kuhhandel gewesen sei. Es gehe um das Ansehen der britischen Justiz. Der schottische Justizminister Kenny MacAskill hatte für die Freilassung humanitäre Gründe genannt: Der 57-Jährige habe Prostatakrebs und nach Diagnose der Ärzte nur noch wenige Monate zu leben.
Muammar al Gaddafi sprach von einer "mutigen, gerechten und menschlichen" Entscheidung Schottlands. Er verglich die Freilassung mit der von fünf bulgarischen Krankenschwestern und einem palästinensischen Arzt vor zwei Jahren in Libyen. Ihnen war vorgeworfen worden, mehr als 400 libysche Kinder vorsätzlich mit HIV infiziert zu haben.
Megrahi will Unschuld beweisen
Megrahi wurde 1999 von Libyen an die Niederlande überstellt, wo der Lockerbie-Prozess nach schottischen Recht stattfand. Er wurde 2001 zu lebenslanger Haft verurteilt. Bei der Bombenexplosion an Bord einer Pan-Am-Maschine über Lockerbie kamen im Dezember 1988 insgesamt 259 Flugzeuginsassen und elf Bewohner der schottischen Ortschaft ums Leben.
Megrahi sagte in einem Interview der Londoner "Times", er werde noch vor seinem Tod Beweismaterial vorlegen, das seine Unschuld belege. Libyen habe mit dem Anschlag nichts zu tun. Fragen, wo die Täter zu suchen seien, wollte er nicht beantworten.
Scharfe Kritik auch vom FBI
FBI-Direktor Robert Mueller hat den schottischen Justizminister Kenny MacAskill wegen der Freilassung des Lockerbie-Attentäters heftig angegriffen. Die Entscheidung sei eine Verhöhnung der Justiz, schrieb der Chef der US-Bundespolizei in einem Brief an MacAskill. Sie ermutige Terroristen in aller Welt. Der Brief Muellers geht auch den Hinterbliebenen der Attentatsopfer zu.
Vor seiner Zeit beim FBI leitete Mueller als Anwalt im US-Justizministerium die Ermittlungen zu dem Anschlag.
(Ag./Red. )