Stefanie Sargnagel: "Witze sind mein Ding"

Stefanie Sargnagel zu ihrer roten Mütze: „Markenzeichen hatte ich, seit ich klein war, das mochte ich schon immer.“
Stefanie Sargnagel zu ihrer roten Mütze: „Markenzeichen hatte ich, seit ich klein war, das mochte ich schon immer.“(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Als einzige Österreicherin tritt Stefanie Sargnagel heuer um den Bachmann-Preis an. Ein Gespräch über den Nachteil langer Texte und den Vorzug roter Mützen.

Also das könne sie sich nicht vorstellen, sagt Stefanie Sargnagel: Dass sich „irgendein Hochkulturmensch mit etwas Selbstironie von dem Wort Streber ernsthaft angegriffen fühlt. Das stammt ja absichtlich aus dem Wortschatz von Zwölfjährigen. Das wäre schon gar etwas unreif.“ In einem ein bissl fiesen, äußerst kurzweiligen und sehr pointierten Text für das Radio Bayern hat die Autorin letztes Jahr den Bachmann-Preis als „Deutschland sucht den Superstar für Streber“ bezeichnet und die Lesungen eines Vormittags unter anderem so zusammengefasst: „Frauenbrüste werden beschrieben, und ich denk mir, pfuh, Männer sind einfach so over. Dann liest eine Frau etwas über Kirschen und warme Haut.“

Heuer gehört sie selbst zu den Vortragenden, als einzige Österreicherin übrigens, dabei wäre sie von selbst nie auf die Idee gekommen, einen Text einzuschicken – zwei Juroren haben sich direkt an sie gewandt. Und wie man Stefanie Sargnagel von ihren journalistischen wie literarischen Arbeiten her kennt, weicht sie ungern einer neuen Erfahrung aus, auch nicht der, einen Text vor großem Publikum auseinandernehmen zu lassen.

Dabei wäre ihre Teilnahme an den Tagen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, wie die Klagenfurter Veranstaltung korrekt benannt wird, in letzter Minute fast gescheitert: „Ich wusste bis kurz vor der Deadline nicht, wie ich an die Sache herangehen soll, da ich sonst immer impulsiv über konkrete Erlebnisse erzähle, und nicht daheim sitze und an langen Texten bastle. Ich habe wochenlang gegrübelt, aber ich war blockiert. Dann habe ich aufgegeben und war enttäuscht, dass ich dieser Einladung nicht nachgehen kann.“ Zwei Nächte vor Abgabeschluss habe sie dann noch „schnell etwas hingebogen. Ich brauche diesen Druck wohl, ich mache immer alles fünf vor zwölf“.

Was man gut nachvollziehen kann. Vieles von dem, was sie auf Facebook postet – und dann in Büchern wie „Binge Living: Callcenter Monologe“ (2013), „In der Zukunft sind wir alle tot“ (2014) oder „Fitness“ (2015) zusammenfasst – kann man gut nachvollziehen: Ihre ätzenden Bemerkungen über Wien und den öffentlichen Nahverkehr, ihre Abneigung gegen China-Buffets (weil sie „auf so vielen Ebenen Verwahrlosung“ ausdrücken) oder ihr Hadern mit der eigenen Disziplinlosigkeit („Ich glaube, mein Gehirn besteht nur aus dem Belohnungszentrum.“).

Callcenter. Eigentlich kommt die 1986 geborene Wienerin von der bildenden Kunst her. Sie hat an der Akademie ein Studium an der Richter-Klasse angefangen, allerdings nicht abgeschlossen. Neben ihrer Arbeit für ein Callcenter stellte sie Texte ins Netz – unter dem Pseudonym Stefanie Sargnagel übrigens, weil sie keine Lust hatte, von Arbeitgebern gegoogelt zu werden. „Meine Schreiberei entstand durch das Internet“, sagt sie. „Ich hätte nie Texte geschrieben ohne direktes Publikum, ich möchte schon immer gleich alles kommunizieren. Ich mag das kurze pointierte, reduzierte Erzählen, in dem man möglichst präzise und schnell zum Punkt kommt. Das Bedürfnis nach ausschweifendem Erzählen und Beschreiben habe ich einfach nicht.“

Was schade ist. Denn besonders glücken ihr jene Passagen, in denen sie sich nicht auf knapp formulierte Ein- bis Dreizeiler beschränkt, sondern sich ein bisschen Zeit lässt, um etwa von ihrem Jugendidol Michael zu berichten oder von einem morgendlichen Spaziergang: Die „geknackten Fahrradschlösser säumen den Boden, die Krähen sitzen auf den Gastgartentischen . . . die Minirockmädchen zupfen frierend an sich herum, die 50-Jährigen fallen schmusend aus den Beisln“.

Das Schreiben, sagt Stefanie Sargnagel, strenge sie an, vor allem bei langen Texten rauche sie Kette und bekomme Kopfweh. Beim Zeichnen dagegen „trägt man recht direkt das Unterbewusstsein zu Papier und ist dann selbst oft davon überrascht, was entsteht. Mein Berufswunsch war auch immer Cartoonistin, Grafikerin, Malerin und so weiter“. Immerhin: Die Rolle als literarischer Klassenclown, die ihr unversehens zugefallen ist, behagt ihr schon – und mittlerweile kann sie damit zu ihrer eigenen Überraschung sogar Geld verdienen.

Eines von Stefanie Sargnagels Merkmalen, ob bildnerisch oder literarisch, ist neben der Angriffslust, die ihr mehrfach Sperren auf Facebook eingetragen hat, ein derber, oft schwarzer Humor. „Witze sind mein Ding“, sagt sie. „Es geht mir eigentlich gar nicht darum, Leute vor den Kopf zu stoßen, sondern sie durch ehrlichen Ausdruck der menschlichen Unzulänglichkeiten zum Lachen zu bringen.

Mit Humor kann man viel rüberbringen.“ Darum mag sie auch die Werke von Christine Nöstlinger so gern. Deren Bücher seien „auf tröstende Weise humorvoll und ehrlich. In meiner Schulzeit gab es sehr konservative Mütter, die ihren Kindern die Lektüre sogar verboten haben. Manche Menschen halten die Wahrheit einfach nicht aus“.
Zum Schluss die Frage nach der roten Mütze, die sie stets trägt und die auch auf gezeichneten Selbstporträts verlässlich auftaucht. Ob so ein Markenzeichen nicht auch lästig sei? Bei diesen Temperaturen zumal?

Markenzeichen hatte ich, seit ich klein war, das mochte ich schon immer. Ich entwickle oft eine fast neurotische Treue zu Kleidungsstücken, trage seit 15 Jahren dieselben Schuhe und seit zehn dieselben Ohrringe. Und heiß? Man kann auch gut die Haare drunter stecken, um den Nacken freizuhalten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2016)

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