Alle Anlegeraugen auf Spanien

Nach dem Brexit zittern die Anleger bereits vor den heutigen Wahlen in Spanien. Die linken EU-Kritiker machen Angst.

Zufälle gibt es an der Börse kaum. Und so ist es auch keiner gewesen, dass am Freitag gerade die Handelsplätze Mailand und Madrid stärker abgestürzt sind als Börsen in anderen EU-Staaten. Mit einem Minus von mehr als zehn Prozent verzeichneten sie die größten Tagesverluste ihrer Geschichte.

Das hat natürlich damit zu tun, dass nach den Unsicherheiten infolge des Brexit fortan die größten Konjunkturrisken Länder wie Italien haben, „die nach wie vor tief in der Krise sind und noch tiefer in die Krise geraten könnten“, wie der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, dies formuliert. Es hat aber auch mit dem Faktum zu tun, dass am heutigen Sonntag die Spanier zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres an die Urnen müssen, weil sich die Parteien nach der Wahl im Dezember auf kein Regierungsbündnis einigen konnten.

Die Parlamentswahlen haben durchaus eine europäische Dimension, könnten sie doch zu einer neuen Zerreißprobe für die EU werden. Nicht rechtspopulistische Parteien sind das Problem. Experten fürchten, dass nach dem Brexit-Votum EU-Kritiker wie das spanische Linksbündnis Podemos bei der Entscheidung am Sonntag noch mehr Zulauf bekommen und Investoren auf den Austritt weiterer Länder spekulieren könnten.

Für diesen Fall rechnen Beobachter mit neuerlichen Kursturbulenzen. Risikoaufschläge von Staatsanleihen aus Spanien und anderen Peripheriestaaten wie Portugal und Italien dürften dann in die Höhe schießen, die Aktienkurse an den südeuropäischen Börsen tief fallen.

Jüngsten Umfragen zufolge droht eine Hängepartie wie bei den Wahlen im Dezember, als der amtierende Ministerpräsident, Mariano Rajoy, keinen Koalitionspartner fand und König Felipe das Parlament auflöste.

Das größte Risiko für die Finanzmärkte nach dem Brexit sei, wenn auf den Austritt weiterer Länder spekuliert werde, sagt Targobank-Chefvolkswirt Otmar Lang. NordLB-Stratege Tobias Basse hält beim DAX, der jetzt bei 9557 Punkten steht, einen Rutsch unter die psychologisch wichtige Marke von 9000 Punkten in nächster Zeit für möglich. Die DZ Bank ist nach dem Absturz vom Freitag noch pessimistischer und rechnet mit Verlusten bis in den Bereich von 8000 bis 8500 Punkten. EST

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

Zentralbanker als Brexit-Feuerwehr

Die großen Notenbanken versprechen, die Folgen des Brexit an den Aktienmärkten zu lindern. Die BIZ warnt derweil davor, den Zentralbanken zu viel umzuhängen.
Auch noch Tage nach dem Referendum demonstrieren Jugendliche im Regierungsviertel für einen Verbleib in der Europäischen Union.
Europa

"Eine schreckliche Kluft zwischen den Generationen"

73 Prozent der 18- bis 24-jährigen Briten haben für einen Verbleib in der EU gestimmt. Jetzt machen sie ihrem Ärger über die Älteren Luft, die ihnen eine Zukunft in der EU verwehrt haben.
Themenbild
International

Brexit: Die Revolution der Alten

Seit jeher sorgte der Generationenvertrag für Prosperität und sozialen Frieden. Er wurde gebrochen. Der Brexit zeigt, wie aus einem demografischen ein demokratisches Problem wird.
17,5 Kilogramm wiegt dieser Goldziegel.
International

Goldene Felsen in der Brandung

In den ersten Stunden nach dem Brexit-Votum weiß niemand recht, wohin mit dem Geld. Viel spricht dafür, erst einmal abzuwarten. Oder Sicherheit in Goldminen-Aktien zu suchen.
Europa

EU kann Briten nicht zu raschem Antrag zwingen

Pieter Cleppe vom britischen Thinktank "Open Europe" zufolge bräuchten die Briten Zeit für eine Verhandlungsposition.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.