Vilimsky und Kickl: Der Raue und der Schlaue

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Die Generalsekretäre der FPÖ, Harald Vilimsky und Herbert Kickl, könnten unterschiedlicher nicht sein. Der eine poltert und pöbelt, der andere dichtet und denkt. Karriere haben beide erst unter Strache gemacht.

Harald Vilimskys Platz ist in der Öffentlichkeit. Er wollte es so, seine Partei will es so, und es gefällt ihm auch. Aber nicht immer. „Derzeit bin ich massiv sauer“, sagt der bullige FPÖ-Generalsekretär, der sich tagtäglich via Aussendungen und Auftritten im Auftrag seiner Partei mit dem politischen Gegner schlägt. Ab Mittwoch kommender Woche steht er nämlich unfreiwillig im Rampenlicht, dann beginnt der U-Ausschuss, in dem auch seine Rolle als Kontaktperson des kasachischen Geheimdienstes beleuchtet wird.

Vom eher zart gebauten Herbert Kickl, dem zweiten Generalsekretär der FPÖ, wird man in den Wochen des U-Ausschusses hingegen wohl so wenig hören und sehen wie zuvor. Gänzlich öffentlichkeitsscheu ist er aber nicht, immerhin hat er ein Mandat im Nationalrat und hält dort auch ganz passable Reden. Rhetorisch ist der Philosoph ohne Abschluss mit Faible für marxistische Dialektik ebenso begabt wie als Kamgagnenentwickler. Umstritten sind allerdings seine dichterische Qualitäten. Wobei man ihm zubilligen muss: Die Botschaften sind zwar schlicht, aber sie kommen an. „Abendland in Christenhand“. „Pummerin statt Muezzin“. „Daham statt Islam“. Die Ideen kämen ihm oft kurz vor dem Einschlafen, erzählt Kickl. Deswegen habe er auch immer einen Schreibblock am Nachtkästchen liegen.

Kickl begann seine Karriere als Jörg Haiders Gagschreiber. Dessen Aschermittwoch-Sager über Ariel Muzicant („Dreck am Stecken“) und Jacques Chirac („Westentaschen-Napoleon“) entstammten Kickls Feder. Als ihn Muzicant später mit NS-Propagandaminister Joseph Goebbels verglich, hat er das weitgehend ignoriert. „Das war an Dummheit kaum zu überbieten. Ich bin aber nicht so blöd, mich provozieren zu lassen“, so Kickl. Der ihm zugeschriebene Kalauer über Ludwig Adamovichs „aufrechte Aufenthaltsgenehmigung“ sei allerdings nicht von ihm, sondern von Haider selbst gewesen, stellt er klar. Dennoch nannten sie ihn in der Partei hinter seinem Rücken einst spaßhalber „Ariel Adamovich“.

Kickl war damals eher ein Einzelgänger – weder Burschenschafter noch bei der Buberlpartie und schon gar nicht bei der Wörthersee-Schickeria mit dabei. „Kickl war eigentlich ein Sozialist“, sagt ein langjähriger Kollege. Mit den Nationalen, den Rechten habe er nichts zu schaffen haben wollen. „Mittlerweile hat er sich aber dem Strache-Milieu angepasst.“ Heute könne man auch Kickl das deutschnationale Erbe, das es zu wahren gelte, preisen hören. „Ich interpretiere mich als patriotischen Österreicher. Und ich spreche Deutsch“, sagt Kickl dazu knapp.

Law-and-order-Mann. Der umgängliche Harald Vilimsky hatte mit den Rechten weniger Berührungsängste. „Ich habe mir alles angeschaut, die ganz Rechten und die ganz Linken.“ Noch heute diskutiere er lieber mit einem gestandenen Kommunisten als mit einem stromlinienförmigen Mitte-Politiker, der Luftblasen von sich gebe. Obwohl der junge Vilimsky einst einen hymnischen Artikel über Deutsch-Chilenen („Erheben wir die Häupter, um die Sonne des Deutschtums in altem hellem Licht erstrahlen zu lassen“) im rechtsextremen „Völkerfreund“ publizierte, galt er in der Haider-FPÖ lange als Moderater, der mit den Nationalen nichts (mehr) zu tun haben wollte und zur aufstrebenden Strache-Partie Distanz hielt. Im Nationalratswahlkampf 2002 stand er gar Herbert Scheibner zur Seite. „Mit den Wirtschaftsliberalen in der Partei hatte ich aber nie viel am Hut“, sagt er heute. „Vilimsky ist schon ein Deutschnationaler, ein Law-and-order-Mann“, urteilt EU-Mandatar Andreas Mölzer.

Harald Vilimsky, ein Kind aus Favoriten, hatte ein harte Jugend. Seinen leiblichen Vater kennt er bis heute nicht. Er wuchs bei seiner Mutter, einer Krankenschwester, und seinem Stiefvater, der in der Versicherungsbranche tätig war, auf. Als er 16 Jahre alt war, starb die Mutter. Von da an sorgte er für sich selbst. Er machte die HAK-Matura, begann ein Studium an der Wiener Wirtschaftsuni und arbeitete beim Kuratorium für Verkehrssicherheit. Eine Arbeitskollegin, deren Mann bei der FPÖ war, machte ihn dann darauf aufmerksam, dass in der FPÖ-Pressestelle eine Stelle frei sei. Denn Vilimsky, der „Weltverbesserer“, war damals schon bekennender FPÖ-Fan. „Ich war von der Politik der frühen Haider-Jahre begeistert. Das war eine politische Kraft, die gegen das Establishment Sturm lief.“ Einen Bezug zur FPÖ habe er zuvor nicht gehabt. Seine Familie sei absolut unpolitisch gewesen.

Altvatrische SPÖ. Auch Herbert Kickl, Klassenkollege von Eva Glawischnig, entstammt einer unpolitischen Familie. Seine politische Sozialisation war wie jene Vilimskys mit dem Aufstieg Jörg Haiders verknüpft. „Das war ein Kontrapunkt zur eintönigen politischen Landschaft.“ Obwohl die Sozialpolitik („Ein Markt ohne Schranken muss zwangsläufig in einem unmenschlichen System enden“) das für ihn wesentlichste Element seiner politischen Tätigkeit ist, konnte der Kärntner mit der SPÖ nichts anfangen. „Die war so altvatrisch, für einen jungen Menschen völlig uninteressant.“

Wirklich Karriere machten Kickl und Vilimsky erst unter FPÖ-Chef Strache. Nach der Abspaltung des BZÖ war es für beide klar, bei der FPÖ zu bleiben. Vilimsky war von Strache im persönlichen Gespräch überzeugt worden. Kickl zog in Kärnten seine Schlüsse: „Der ältere Haider hat es nicht ausgehalten, dass es da auf einmal ein junges Talent gab. Wie der Ältere dann versuchte, den Jüngeren abzuschlachten – da konnte ich nicht mehr mit.“

Heute hat in der FPÖ kaum jemand so viel Einfluss auf den Parteichef wie das Duo Kickl/Vilimsky. Während Vilimsky den raubeinigen Angreifer gibt – „Haider vergnügt sich im Tollhaus nicht nur mit Knaben (...) Petzner, Grosz und Stadler sind die Letzten, die ihm die Stange halten“ textete er vor einem Jahr frivol –, gilt Kickl als Mastermind der FPÖ, als Straches wichtigster Einflüsterer. Selbst ganz vorne stehen möchte er nicht, dafür gebe es Begabtere, sagt Kickl. Außerdem sei ihm sein Privatleben zu wichtig. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Seit einigen Jahren ist er Triathlet, Bestzeit: 10:42. „Das hat etwas Befreiendes, Reinigendes.“ Der noch größere Grenzgänger ist wahrscheinlich Harald Vilimsky, ebenfalls verheiratet und Vater einer achtjährigen Tochter. Heuer durchquerte er zum dritten Mal die Wüste Tunesiens und Marokkos – in einem Tross mit Motocrosslegende Heinz Kinigadner. „Eine Grenzerfahrung im Niemandsland“, sagt Vilimsky. Man sei völlig auf sich allein gestellt, weit und breit nur Sand. Mitunter sei das so überwältigend, „dass man nur noch in den Helm hineinweint“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2009)

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