"Neue" Väter und Mütter: Der Kampf der Riesenegos

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Die "neuen" Väter und Mütter, die sich über die gerechte Verteilung der Familienarbeit streiten, sind häufig vor allem auch eines: nicht bereit, erwachsen zu werden.

Vergangenen Donnerstag ist in der „Presse“ ein bemerkenswerter Gastkommentar erschienen. Die Werbetexterin und Journalistin Viola Gangl, dieauch bei der „Presse“ gearbeitet hat, schildert darin „die neuen Mütter als Verlierer“. Die Autorin wirft den Männern vor, sich als „neue“ Väter entdeckt zu haben, „allerdings zulasten der Mütter, die plötzlich noch mehr Pflichten haben als zuvor“. Der Text sorgte auch deshalb für besondere Resonanz, weil Gangls Lebenspartner ebenfalls Journalist ist, der in einem Magazin über seine Karenz berichtet und im Internet einen Väterblog verfasst hatte.

Gangl lieferte auch ein konkretes Beispiel für ihren Ärger: Sie wollte während des einmonatigen Urlaubs ihres Mannes eine Woche Zeit, um ein während der Schwangerschaft begonnenes Projekt fertigzustellen. Worauf ihr Mann zuerst mit dem Ruf nach dem spanischen Kindermädchen reagierte, dann Bedenken äußerte, ob das Kind mit neun Monaten schon alt genug sei, um so lange auf seine Mutter verzichten zu können, schließlich als Gegenleistung eine Woche Paris alleine forderte.

Die „neuen“ Väter gingen in Karenz, schreibt Gangl weiter, nur um die Betreuungsarbeit dann an andere zu delegieren und sich trotzdem in ihrer aufopfernden Rolle feiern zu lassen. Und stellt die Frage: Was macht die „neuen“ Väter eigentlich um so viel besser als die alten?

Wahrscheinlich wenig, wenn Väter wirklich meinen, mit einem halben Jahr Väterkarenz ihren Beitrag zur Kinderbetreuung schon abschließend geleistet zu haben, wäre eine mögliche Antwort.

Die viel interessantere Frage als diese oft hauptsächlich der schmissigen Begriffe wegen geführte Diskussion wäre allerdings: Warum fällt es eigentlich unserer Generation so schrecklich schwer, erwachsen zu werden? Obwohl die „neuen“ Väter und Mütter bei ihrem ersten Kind im Schnitt gut zehn Jahre älter sind als noch die eigenen Eltern, werden sie, anscheinend völlig perplex, von den Anforderungen überrollt, die durch Nachwuchs auf sie zukommen. Weniger Schlaf? Weniger Freiheit? Weniger Karrieremöglichkeiten? Weniger Geld? Weniger alles? Wenn uns das nur jemand gesagt hätte!

Menschen, teilweise tief in den Dreißigern, werden blass, weil sie mit Kindern ihren gewohnten Lebensrhythmus nicht mehr aufrechterhalten können. Die Erkenntnis, dass es eine (selbst nur vorübergehende) Phase in unserem Leben geben könnte, in der auf einen einwöchigen Paris-Urlaub oder sonstige (nicht beruflich oder familiär gebotene) Aktivitäten verzichtet werden muss, übersteigt unsere Vorstellungskraft. Da wird lieber alles versucht, um es sich nur ja nicht in jener Realität einrichten zu müssen, in der man längst angekommen ist. Auch zulasten der Partnerin/des Partners.

Eines Partners übrigens, den man in seinen Stärken und Schwächen meist ausgiebig geprüft hat. Die Kinder kommen fast nie ungewollt, meist geht ihnen ein intensiver Planungs- und Entscheidungsprozess voraus. Trotzdem kennt das Staunen kaum Grenzen, dass die intelligente und gut ausgebildete Frau, die ihn so fasziniert hat, doch glatt nach der Geburt etwas mit ihrer Intelligenz und ihrer guten Ausbildung anfangen möchte und nicht völlig in der Kinderbetreuung und ihrem Halbtagsjob aufgeht.

Genauso platt sind aber die Frauen, wenn das im Beruf erfolgreiche, mit zahllosen Interessen gesegnete Energiebündel (lauter Eigenschaften, derentwegen sie sich in ihn verliebt haben), dann auch nach der Geburt des Kindes nicht plötzlich zum familienkompatiblen Stubenhocker mutiert. Da vorher genauer hinzuschauen, vielleicht sogar zu erwägen, ob Kinder wirklich die richtige Entscheidung sind, wenn beide im Beruf aufgehen und nicht zurückstecken möchten: Fehlanzeige.

Auch über das, was in einschlägigen Ratgebern gerne Beziehungsarbeit genannt wird, herrschen nur nebulöse Vorstellungen. Mit Kindern sind so gut wie alle prinzipiellen Dinge, auf die man sich mühsam geeinigt hat, neu auszustreiten. Welche Anforderungen dann zum Beispiel auf Eltern zukommen, wenn die Kinder erst einmal in der Pubertät sind, ist zu diesem Zeitpunkt meist noch gar nicht absehbar.
Hilfreiche Kinder. „Männer mit Riesenegos, die jede Weiterentwicklung für ihre Vorteile nützen und sich jede Gegenleistung teuer bezahlen lassen“, prangert Gangl dann am Ende ihres Gastkommentars an. Das Abschiednehmen von diesen Riesenegos in Partnerschaften ist wohl das, was „neue“ Männer, aber auch Frauen erst wieder lernen müssen. Kinder, die ungeschlagenen Weltmeister des Riesenegos, können uns da recht hilfreich sein. Gelassener kann man das Ganze meist erst nach Jahren sehen, wenn die Kinder älter und die Eltern nicht mehr ganz so „neu“ sind. Allerdings nur, wenn bis dahin keiner von beiden das Spiel nachhaltig verloren hat.
Florian Asamer, Jhg. 1971, ist Chef vom Dienst der „Presse“ u. hat zwei Söhnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2009)

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