Die Freiheitlichen stellen die Weichen für eine Kampagne zum Austritt aus der EU. Diese wäre gleichzeitig auch der Startschuss für die FPÖ-Kampagne für die Nationalratswahl.
Wien. Am Tag nach der Abstimmung in Großbritannien hatte sich die FPÖ noch zurückhaltend gezeigt. Doch nun bekommt die Debatte in Österreich über einen möglichen Austritt aus der Europäischen Union neuen Schwung. Hatte Parteichef Heinz-Christian Strache im Interview mit der „Presse“ noch davon gesprochen, dass es keinen Grund für Hektik gebe und dass nun ein Verhandlungsprozess für eine Reform der EU starten müsse, den man sicher nicht auf einige Monate begrenzen könne, so setzt sein Stellvertreter, der frühere Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer, nun ein Ultimatum: Innerhalb eines Jahres müsse es Veränderungen in der EU geben, sonst werde es auch in Österreich eine Abstimmung über den Verbleib geben.
Hofer sagte im Interview mit der Zeitung „Österreich“, die EU müsse sich wieder auf ihre Ursprünge besinnen, nämlich eine Gemeinschaft zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu sein. Darüber müssten neue Verträge ausgearbeitet werden. Wenn die Union aber nicht in diese Richtung gehe, sondern sich zu einer zentralistischen Union entwickelt, und wenn dann auch noch die Türkei beitreten sollte, dann, so Hofer, „wäre für mich der Augenblick gegeben, wo man sagt: So, jetzt muss man auch die Österreicher befragen.“ Wobei für den freiheitlichen Vizeparteichef und 3. Nationalratspräsidenten der zentrale Punkt die Entwicklung in Richtung Zentralismus wäre.
Zum Zeithorizont sagt Hofer: „Wenn man die Weichen innerhalb eines Jahres mehr in Richtung Zentralismus stellt, anstatt sich auf die Grundwerte zu besinnen, dann müssten wir die Österreicher befragen, ob sie hier noch Mitglied sein wollen.“ Norbert Hofer gilt seit der Bundespräsidentenwahl, in der er dem grünen Kandidaten Alexander Van der Bellen knapp unterlegen war, als mögliche Alternative zu Parteichef Heinz-Christian Strache. Seine Ansage ist somit auch innerparteilich nicht uninteressant, würde sie doch auch einen Strategiewechsel innerhalb der FPÖ bedeuten. Denn bisher hat die Freiheitliche Partei sich zwar immer als EU-kritisch profiliert, aber noch nie die Forderung nach einem Austritt aus der Union erhoben – auch Hofer nicht. Das macht er zwar jetzt auch nicht explizit, er stellt aber die Weichen für eine Öxit-Kampagne. Denn dass die EU sich innerhalb eines Jahres in die von der FPÖ gewünschte Richtung entwickelt, ist wohl auszuschließen.
Sollte sich die FPÖ in einem Jahr tatsächlich für eine Kampagne zum Austritt aus der EU entschließen, wäre das wohl der Start für ihren Nationalratswahlkampf. Eine Öxit-Abstimmung durchzusetzen, dafür hat die FPÖ keinerlei rechtliche Handhabe. Möglich wäre das nur, wenn es die Freiheitlichen nach der Nationalratswahl, die spätestens im Herbst 2018 stattfinden wird, in die Regierung schafft – und einen Partner findet, der dabei mitmacht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2016)