Le Pen fordert nun auch eine Abstimmung über EU und Euro

Frankreichs Staatspräsident Hollande traf FN-Chefin Le Pen.
Frankreichs Staatspräsident Hollande traf FN-Chefin Le Pen.(c) APA/AFP/POOL/CHRISTOPHE SAIDI
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An Verärgerung über Brüssel mangelt es ebenso jenseits des Ärmelkanals nicht. Paris fordert eine schnelle Brexit-Abwicklung. Die EU-Gegner des Front National hingegen jubeln.

London. Der französische Staatspräsident, François Hollande, spricht von einer „schmerzlichen Wahl“ der Briten, welche Europa vor „eine Bewährungsprobe“ stelle. Er hat sich sofort mit Angela Merkel beraten, Paris und Berlin möchten jetzt in der Schadensbegrenzung eng zusammenarbeiten. Hollande fordert aber auch eine Reform der EU, die sich auf „das Wesentliche“ beschränken und für die Bürger transparenter werden müsse. Das meint ebenfalls Premierminister Manuel Valls: „Die EU sollte nicht überall und ständig intervenieren.“ Zu viele Warnsignale in dieser Hinsicht seien vor dem Brexit-Referendum missachtet worden. Doch auch er hatte nicht wirklich mit dem britischen Votum gerechnet. Wie Hollande und viele andere europäische Staatsmänner versichert er, man müsse nun die Motive verstehen und sehr schnell die Lehren aus der britischen Absage an die EU ziehen.

Die französische Staatsführung möchte aber auch diese Scheidung schnell und somit hoffentlich für alle so wenig schmerzhaft wie möglich abwickeln. Paris drängt die derzeitige Regierung in London, die entsprechende Prozedur und die anschließenden Verhandlungen sofort einzuleiten, um das Drama nicht unnötig in die Länge zu ziehen.

Denn in Frankreich mangelt es gleichfalls nicht an Bürgern, die lieber heute als morgen aus dieser Union austreten wollten oder zumindest zur Frage des Verbleibs in der Gemeinschaft konsultiert werden möchten.

Das fordert vor allem der rechtsnationale Front National (FN), der durch den europapolitischen Paukenschlag zusätzlich an Gehör gewinnen kann. Seit 2013 fordert FN-Chefin Marine Le Pen in Frankreich ein Referendum. Sie wäre für einen Austritt aus der EU und anschließend auch aus der Währungsgemeinschaft. Was für die europäischen Börsen und die meisten Regierungspolitiker der Mitgliedstaaten ein schwarzer Freitag war, bejubelt sie als „Tag der Freude“ und ähnlich wie andere „Souveränisten“ von links und rechts als „Sieg der Freiheit“.

Treffen im Élysée-Palast

Le Pen wurde wie die anderen Parteichefs von Staatschef François Hollande im Elysée-Palast empfangen, wo sie ihre Forderung nach einer Volksabstimmung mit einem Frexit als Perspektive vorbrachte. Damit solle Frankreich die „vier grundlegenden Bereiche der Souveränität zurückgewinnen: Geldpolitik, Staatshaushalt, Landesgrenzen und Gesetzgebung“. Hollandes Antwort war wie erwartet eine klares Nein.

Dennoch ist Marine Le Pen überzeugt, dass die EU-Frage das große Thema der kommenden Präsidentschaftswahlen im Frühling 2017 sein wird. Falls bis dahin nicht Großbritannien zerfällt oder in Isolation und Armut versinkt, kann sie davon nur profitieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2016)

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