Englands neuer Fußballtiefpunkt

In England herrschte auch am Tag nach der schweren Pleite gegen Island Entsetzen. Die Suche nach einem Nachfolger für Teamchef Roy Hodgson hat begonnen.

Nizza/Wien. Und wieder einmal hat es England erwischt, aber so schlimm wie gegen Island war es selbst in der Pleitenhistorie der Three Lions noch nie. Trotz früher Führung durch ein Elfmetertor von Rooney musste sich der Favorit am Ende 1:2 geschlagen geben. Das peinliche Ausscheiden gegen den EM-Debütanten bedeutete einen neuen Tiefpunkt und versetzte die gesamte Fußballnation in einen Schockzustand. „Schande“, „Lachnummer“ oder „Brrrrexit“ hieß es in die Medien.

Beschämt flüchteten die Three Lions so schnell wie möglich vom Ort ihrer historischen Demütigung, doch auch in der Heimat wurden die Mannschaft und ihr zurückgetretener Trainer Roy Hodgson mit Hohn, Spott und blanker Verachtung empfangen. „In Englands 144-jährigen Geschichte war das die demütigendste Niederlage“, kritisierte die „Times“ über „hirntoten Fußball“. Gegen ein Land mit 330.000 Einwohnern, trainiert von einem Zahnarzt. „England hat vorige Nacht aufgehört, ein Fußballteam zu sein, ist nur noch eine Lachnummer.“

Hodgson: „Es tut mir leid“

Nur 19 Minuten nach Ende des „schlimmsten Ereignisses in der englischen Fußballgeschichte“ („Mirror“) vollzog Roy Hodgson den unvermeidlichen Schritt. Mit aschfahlem Gesicht setzte sich der 68-Jährige in den Presseraum des EM-Stadions von Nizza und verlas monoton sein Rücktritts-Statement. Die Niederschrift mutete befremdlich an, hatte er sich im Vornherein schon auf das Ausscheiden vorbereitet?

„Es tut mir leid, dass es so enden muss“, erklärte Hodgson. Die Spieler wären am liebsten im Erdboden versunken, „wir sind alle bitter enttäuscht, wir wissen, dass wir die Verantwortung dafür tragen“. Am Dienstag reiste der selbst erklärte Titelkandidat noch ein letztes Mal in sein EM-Quartier in Chantilly, um dann die frühe Heimreise anzutreten.

Die nach einer makellosen Qualifikation mit großen Ambitionen nach Frankreich gereisten Engländer vermochten nicht zu überzeugen. Schon die Gruppenphase hatte sich für die Engländer holprig gestaltet, gegen Island ließen sie alle Tugenden missen, agierten schwerfällig und ungenau. Die Abwehr präsentierte sich bei den beiden Gegentreffern erschreckend passiv, Torhüter Hart patzte beim 1:2 fürchterlich. In Rückstand rannte die Offensive planlos gegen die isländische Mauer an. Das hoch gelobte Sturmduo Harry Kane und Jamie Vardy konnte die Erwartungen nie erfüllen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2016)

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