Registrierkasse: Wirte vermuten Parteienfinanzierung

Die Presse (Fabry)
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Neben gemeinnützigen Vereinen sollen auch Parteien von Ausnahmen bei der Registrierkasse profitieren. Die Gastronomen wollen die Regelung mit allen Mitteln bekämpfen.

Wien. Es ist rund ein halbes Jahr her, dass ein Wirt in Oberösterreich die gesamte ÖVP-Spitze aus seinem Lokal geworfen hat. Damit wollte er damals gegen das Rauchverbot und die Registrierkasse protestieren. Diese ist aber auch Monate später noch Grund für ziemlich miese Stimmung zwischen den Gastronomen und der Regierung.

Sie hat am 21. Juni im Ministerrat zwar ein „Entlastungspaket“ zur Registrierkasse beschlossen, von dem auch die Wirte sowie die gemeinnützigen Vereine profitieren sollen. Die alte Regelung zur Registrierkasse hätte nämlich sogar traditionelle Feuerwehrfeste und andere am Land traditionelle Veranstaltungen gefährdet.

Die darin enthaltenen Erleichterungen, etwa für Skihütten, würden die Wirte grundsätzlich begrüßen, so Fachverbands-Obmann Mario Pulker: „Wir gehen auch sicher nicht gegen die Freiwilligenorganisationen vor. Die haben dasselbe Problem wie wir.“ Denn: Im gleichen Paket steckt auch eine Registrierkassenbefreiung für politische Parteien – und deren Vorfeldorganisationen. Und das passt den Wirten überhaupt nicht. Sie befürchten Konkurrenz aus den Parteien – und eine versteckte, ja illegale Finanzierung derselben durch die Hintertür.

Verfassungswidrig?

„Hier entsteht eine verdeckte Parteienfinanzierung und die größte bisher da gewesene Bedrohung für Dorfgastronomie und Freiwilligenorganisationen“, so Pulker. Um ihren Punkt zu untermauern, hat die Wirtschaftskammer den renommierten Verfassungsrechtler Heinz Mayer beauftragt, ein Gutachten zu erstellen.

„Die Verfassungswidrigkeit ist klar erkennbar, weil der Gesetzgeber Ungleiches gleich behandelt – nämlich Parteien mit gemeinnützigen Vereinen gleichstellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon vor 20 Jahren festgestellt, dass politische Parteien keine gemeinnützigen Organisationen sind“, so Mayer. Die Wirtschaftskammer hat am Mittwoch angekündigt, die neue Regelung notfalls bis zum Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen.

Möglicherweise muss sich sogar die EU-Kommission damit befassen. „Diese europarechtliche Seite gibt es“, so Heinz Mayer. „Es besteht kein Zweifel, dass der Verzicht des Staates auf Einnahmen eine staatliche Beihilfe darstellt.“ Das wäre in der EU aber nicht erlaubt. „Parteien dürfen kein Geld von öffentlichen Körperschaften erhalten. Aber was hier passiert, ist, dass der Staat auf Einnahmen von Parteien verzichtet. Und das ist nichts anderes als versteckte Parteienfinanzierung.“ Die Wirke fürchten aber vor allem um ihre eigene Finanzierung. Da die Ausnahmeregelung sehr allgemein formuliert sei, würde die neue potenzielle Konkurrenz aus den Parteien nicht gerade klein ausfallen, so Fachgruppen-Obmann Mario Pulker: „Rund 100.000 Organisationen der politischen Parteien würden von dieser Begünstigung profitieren. Jede dieser Organisationen kann sich in jeder der fast 8000 Katastralgemeinden Österreichs als Gastwirt betätigen und steuerfrei Feste mit Ausschank veranstalten.“

„Wer soll das kontrollieren?“

Wie auch gemeinnützigen Vereinen soll es diesen Parteiorganisationen erlaubt sein, steuerlich begünstigt und ohne Registrierkasse „ortsübliche“ Feste zu feiern. Einziger Unterschied zwischen Parteien und gemeinnützigen Vereinen: Letztere dürfen einen Jahresumsatz von 30.000 Euro erzielen, für Parteien ist bei 15.000 Euro Schluss. „Aber wer soll so eine Grenze ernsthaft kontrollieren“, sagt Pulker.

Laut einer Studie der Uni Linz hätte die Vereinsgastronomie (Feuerwehrfest etc.) bereits bisher einen Umsatz von 900 Mio. Euro pro Jahr erzielt. Im Vergleich dazu kommt die ländliche Gastwirtschaft auf knapp das Doppelte: 1,8 Mrd. Euro. „Man versucht hier offenbar, die Gastronomie zu ruinieren“, so Pulker. Aus der Politik kommt Unterstützung von den Neos: „Es ist absurd, dass Vergünstigungen für gemeinnützige Vereine gleichermaßen für Parteien gelten sollen“, so Beate Meinl-Reisinger, die Wiener Neos-Chefin. (jil)

Auf einen Blick

Die Registrierkassenpflicht sorgt seit Monaten für dicke Luft zwischen den Gastronomen und der Regierung. Die Koalition hat jetzt ein Entlastungspaket geschnürt, das die meisten Beschwerden der Wirte beantworten soll. Allerdings: Das Paket enthält auch Erleichterungen für politische Parteien, die künftig (fast) mit gemeinnützigen Vereinen gleichgestellt sein sollen – und Feste steuerfrei veranstalten dürfen. Die Wirtschaftskammer sieht jetzt den Fortbestand der ländlichen Gastronomie bedroht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2016)

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