Die EU hat über 50 Handelsabkommen abgeschlossen. Sie bilateral auszuhandeln würde für Großbritanniens Regierung Jahre dauern.
Brüssel. Das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU bringt das Land nicht nur wegen der weiteren Teilnahme auf dem EU-Binnenmarkt in Probleme. Auch die insgesamt 53 Handelsabkommen, die bisher von der EU mit Drittstaaten abgeschlossen wurden, sind nach einem Austritt für die britische Wirtschaft nicht mehr gültig.
Das betrifft unter anderem Abkommen mit Mexiko, Südafrika, Chile, mit zahlreichen Ländern Zentralamerikas und Afrikas sowie asiatischen Ländern wie Südkorea oder Vietnam. London müsste in der Folge all diese Verträge bilateral neu aushandeln. Zahlreiche Handelserleichterungen, gegenseitige Anerkennung von Produktionsstandards und Rechtssicherheiten wären obsolet. Allein die Neuverhandlungen von so vielen Einzelverträgen und Details würde die britische Regierung über Jahre beschäftigen und an die Grenzen ihrer Kapazitäten bringen.
Kein Abkommen mit den USA
Betroffen sind zudem das bereits fertiggestellte, aber noch nicht ratifizierte Abkommen mit Kanada (Ceta) sowie das noch nicht ausverhandelte Handels- und Investitionsabkommen mit den USA, (TTIP). Großbritannien verfügt traditionell über gute Wirtschaftsbeziehungen zu Nordamerika. Die USA sind nach Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner des Königreichs. Ein bilaterales Handelsabkommen wurde aber mit Washington nie abgeschlossen.
Für den Fall, dass die britische Wirtschaft im EU-Binnenmarkt nicht mehr so stark eingebunden ist wie bisher, müsste London seine Kooperation mit den Vereinigten Staaten und zahlreichen asiatischen Ländern auf eine neue, höhere Ebene stellen. Auch der Handel mit der Schweiz und Norwegen ist derzeit nur durch die EU geregelt, da diese beiden Länder an den europäischen Binnenmarkt vertraglich gebunden sind. (wb)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2016)