„Die überforderte Republik“

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AfD-Chefin Petry warnt Gegner EU-kritischer Parteien vor undemokratischen Methoden. Deutsche Medien sehen eine Blamage und ein „austriakisches Schlamassel“.

Berlin. Der kleine Nachbar, schon wieder. Mit der Aufhebung der Stichwahl zum Bundespräsidenten hat es Österreich also erneut in die Topmeldungen der deutschen Nachrichtenseiten und TV-Sender geschafft. Es schwingt so etwas wie ein erstauntes Kopfschütteln bei dem mit, was in Wien gerade passiert ist. „Österreich, ey!“, twitterte TV-Satiriker Jan Böhmermann, dazu die Animation einer Frau, die sich in einer Endlosschleife die Hände vor das Gesicht hält.

„Rechtsruck bei den Ösis?“, fragte die „Bild“ auf ihrer Website. „Welche Blamage für die Alpenrepublik!“, schrieb das „Handelsblatt“. Auf Spiegel Online wurde Österreich als „überforderte Republik“ bezeichnet, „die unfähig ist, eine Wahl ordnungsgemäß durchzuführen“. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb in einem ersten Kommentar: „Österreich muss nochmals wählen – und das ist gut so.“ Die Wiederholung der Wahl sei die „sauberste Lösung des austriakischen Schlamassels“.

Schon vor der Stichwahl am 22. Mai setzte in den deutschen Medien die Lust am Gruseln ein. Was, wenn Norbert Hofer die Wahl gewinnt – ein Rechtspopulist als Präsident eines EU-Landes? Dieses Szenario wurde lustvoll durchgespielt. Am Wahlsonntag fieberte man medial auch noch mit. Als am Montag dann der knappe Sieg Van der Bellens offiziell verkündet wurde, brachte man noch pflichtschuldig das Ergebnis, doch der Grusel war vorbei. Das Interesse am nunmehr gewählten obersten Repräsentanten Österreichs ließ recht schnell nach. Und kam erst Ende der Woche wieder zurück, als klar wurde, dass sich eine Wahlwiederholung anbahnen könnte. Als am Freitag um 12:02 schließlich VfGH-Präsident Gerhart Holzinger in Wien die Aufhebung verkündete, gingen die Eilmeldungen hinaus.

Der österreichische Schlendrian, also. Der Begriff, den Holzinger verwendet hatte, wurde über die Deutsche Presse Agentur auf zahlreiche deutsche Websites gespült. Doch das Narrativ vom liebenswürdigen Österreicher, der es halt manchmal nicht so genau nimmt, nahmen nicht alle auf. In Österreich etwa die FPÖ, in Deutschland die befreundete AfD: Vorsitzende Frauke Petry zog gleich Parallelen zu ihrer Partei – denn Unregelmäßigkeiten seien weder in Österreich noch in Deutschland eine Seltenheit, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt und Bremerhaven habe es „belegte Auszählungsfehler“ gegeben, durch die die AfD benachteiligt worden sei. Sie warnte Gegner EU-kritischer Parteien davor, „undemokratische Methoden“ zu benutzen.

Deutsche Grüne machen Mut

Auch recht ähnlich wie die österreichischen Kollegen reagierten die deutschen Grünen – mit Optimismus und einem Appell, jetzt nicht den Kopf hängen zu lassen. Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende im Bundestag, twitterte: „Könnte ja sein, dass die Mehrheit für @vanderbellen sehr deutlich wird. #nichtsomutlos.“ Die Partei hatte Alexander van der Bellen offen unterstützt, ihn etwa im Wahlkampf zu einer Tagung in Berlin als Redner geladen. Als sein Sieg bei der Stichwahl verkündet wurde, wurde im Innenhof der grünen Bundesgeschäftsstelle eine Flasche Sekt aufgemacht.

Abseits der jeweils befreundeten Parteien hielt man sich mit Wortspenden zurück. Auch die deutsche Bundesregierung gab sich eher wortkarg. Auf die Frage, ob es irgendwelche Auswirkungen auf die Politik Deutschlands in Verbindung zu Österreich gebe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert: „Nein.“ Das entspricht der üblichen Linie, dass man innenpolitische Entscheidungen in anderen Staaten in der Regel nicht kommentiert. Das nächste aussagekräftigere Statement wird wohl erst kommen, wenn der neue österreichische Präsident gewählt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2016)

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