Welche Folgen das VfGH-Erkenntnis für alle Medien hat

VFGH-ENTSCHEIDUNG ZUR BP-WAHL-ANFECHTUNG / VERKUeNDUNG: HOLZINGER
VFGH-ENTSCHEIDUNG ZUR BP-WAHL-ANFECHTUNG / VERKUeNDUNG: HOLZINGERAPA/HANS PUNZ
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Wenn künftig vor dem Wahlschluss um 17 Uhr keine Teilresultate mehr bekannt werden, erschwert das die Berichterstattung für Zeitungen und Sender. Möglich wären harte Strafen für den Bruch von Sperrfristen.

Wien. Der Verfassungsgerichtshof hat am Freitag nicht nur die Stichwahl für das Bundespräsidentenamt aufgehoben, sondern auch festgehalten, dass der „Schlendrian“ bei der Auszählung und Bekanntgabe der Wahlergebnisse ein Ende haben muss, wie VfGH-Präsident Gerhart Holzinger betonte. Das bedeutet Zweierlei: Künftig wird es einen einheitlichen Wahlschluss um 17 Uhr im ganzen Land geben. Während des Verfahrens zur Wahlanfechtung war herausgekommen, dass Österreich als einziges Land in der EU keinen einheitlichen Wahlschluss hat, da bisher Wahllokale in kleinen Gemeinden mit einigen Dutzend Wählern bereits zu Mittag geschlossen wurden.

Zweitens wird das Innenministerium in Zukunft keine Teilresultate mehr vor dem Wahlschluss um 17 Uhr bekannt geben. So sieht es das Gesetz schon bisher vor, es war aber seit mehr als 20 Jahren gängige Praxis, dass das Ministerium Einzelergebnisse vor allem für die Erstellung von Hochrechnungen an ausgewählte Stellen (wie die APA) weitergegeben hat. Diese Ergebnisse wurden freilich nur mit Sperrfrist veröffentlicht.

Die ab sofort strenge Einhaltung der Gesetze hat weitreichende Folgen für die aktuell berichterstattenden Medien. Besonders die Printmedien stellt das vor weitreichende Konsequenzen, denn zwischen dem Wahlschluss um 17 Uhr und dem Andruck der Abendausgaben der meisten Tageszeitungen liegt meist nur eine Stunde. Bisher konnten Zeitungsredaktionen und auch Fernsehsender aufgrund der ersten, ab 14 Uhr eintreffenden Teilergebnisse Berichte, Kommentare und erste Hochrechnungen vorbereiten. In einer Stunde ist eine seriöse Berichterstattung kaum möglich. Das könnte bedeuten, dass Zeitungen künftig auf ihre Erstausgaben ganz verzichten.

„Keine Hochrechnungen um 17 Uhr“

Beim Forschungsinstitut Sora sieht man die Entscheidung des VfGH bezüglich der Weitergabe von Resultaten „gelassen“. Christoph Hofinger, einer der Leiter des Instituts fände es allerdings „gut, wenn alle Hochrechner um 16.30 Daten bekommen. Das beeinflusst die Wahl nicht“, dafür wäre die erste Hochrechnung präziser, was letztlich auch wichtig sei für das Vertrauen in die Demokratie. „Wenn das Innenministerium das streng umsetzt, wird es um 17 Uhr keine Hochrechnungen mehr geben können“, sagte Hofinger am Freitag. Für Sora, das für die ORF-Hochrechnungen verantwortlich zeichnet, sei das kein Problem – „dann rechnen wir halt um fünf“. Man verfüge über ausreichend Know-how und Modelle, dann „relativ rasch“ die erste Hochrechnung vorzulegen. Allerdings seien die Berechnungen präziser, je mehr Zeit man dafür habe. Hofinger plädierte daher gegenüber der APA dafür, „einen Weg zu finden, dass die österreichische Öffentlichkeit um 17.00 Uhr eine Hochrechnung hat von Hochrechnern, die schon ein bisschen Zeit hatten.“ Zudem frage er sich: „Werden manche Druck auf Wahlbeisitzer machen?“ Denn jenen sei es gestattet, „nach der Zählung anzurufen, wen sie wollen“.

Eine Möglichkeit, den Medien die Arbeit zu erleichtern, gibt es aber: die strengere Ausgestaltung von Sperrfristen. Bisher mussten Medien eine Selbstverpflichtungserklärung abgeben, doch die Verletzung dieser blieb bis auf Verwarnungen folgenlos. Wenn der Bruch von Sperrfristen künftig mit drakonischen Strafen verknüpft würde, könnte das die verbotene Weitergabe von Daten hintan halten. So könnte man der APA, Tageszeitungsredaktionen und TV-Sendern auch weiterhin Teilergebnisse vorab bekannt geben – und diesen mehr Spielraum für eine qualitätsvolle Berichterstattung und die Erstellung erster Hochrechnungen geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2016)

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