Sharon Dodua Otoo gewinnt Bachmann-Preis

Sharon Dodua Otoo gewinnt Bachmann-Preis
Sharon Dodua Otoo gewinnt Bachmann-PreisORF/Puch Johannes
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Der Kelag-Preis ging an Dieter Zwicky, der 3sat-Preis an Julia Wolf, der Publikumspreis an Stefanie Sargnagel.

Sharon Dodua Otoo erhält den 40. Ingeborg-Bachmann-Preis. Das wurde heute, Sonntag, von der Jury nach öffentlicher Diskussion und Abstimmung entschieden. Die nach der in Klagenfurt geborenen Autorin Ingeborg Bachmann (1926-1973) benannte Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert. Im vergangenen Jahr hatte Nora Gomringer den Preis gewonnen.

Der Kelag-Preis, dotiert mit 10.000 Euro, ging an den Schweizer Dieter Zwicky. Den 3sat-Preis (7500 Euro) holte sich Julia Wolf, die sich in der Abstimmung gegen Marko Dinic durchsetzte, der damit in jeder Runde nominiert war und trotzdem mit leeren Händen nach Hause geht. Die Wienerin Stefanie Sargnagel schaffte es nicht auf die Shortlist, räumte aber mit ihrem Text "Penne vom Kika" den BKS-Bank-Publikumspreis ab, der mit 7.000 Euro dotiert ist. Sie wirkte fast ein wenig enttäuscht und meinte, sie hätte "die 50.000 Euro schon gern gehabt". Dass der Hauptpreis nur 25.000 Euro bringt, war dann auch schon egal.

Jury lobt Vielsprachigkeit im Wettbewerb 

Juryvorsitzender Hubert Winkels wies in seinem Resümee auf die Vielsprachigkeit im Wettbewerb hin, sowohl in Bezug auf die vielen unterschiedlichen Muttersprachen der Teilnehmer als auch in Stil und Tonalität der literarischen Texte. Es sei keine "Schnellschussliteratur" als Reaktion auf die Vorgänge in der Welt, trotzdem spiele die Realität eine große Rolle in den Texten. Diese Vielfalt - immerhin waren acht Nationen vertreten - habe sich erfreulicherweise auch bei der Vergabe der Preise niedergeschlagen, die vier Preise gingen an vier verschiedene Nationalitäten.

Bei den Abstimmungen gab es eine Änderung im Reglement, die Juroren durften im ersten Durchgang die von ihnen für den Wettbewerb nominierten Autorinnen und Autoren nicht für die Preisverleihung vorschlagen. Das Ergebnis wäre aber wohl auch ohne diese neue Regel nicht anders ausgefallen. Die Shortlist brachte zwei Überraschungen, die eine war, dass Jan Snela nominiert war, dem im Vorfeld niemand Chancen auf einen Preis zugestanden hatte, die andere war die Nichtberücksichtigung von Stefanie Sargnagel. Als sie den Publikumspreis gewann, ließ sie es sich nicht nehmen, gleich das Matriarchat auszurufen und sorgte damit für Heiterkeit.

Gewinnerin "verblüfft und glücklich"

Die britische Autorin Sharon Dodua Otoo zeigte sich "verblüfft" und "einfach glücklich" darüber, den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen zu haben. Angesichts von Brexit und Nationalismus sei es jedenfalls ein "sehr schönes Symbol". Sie betonte aber, dass den Ausschlag für ihren Preisgewinn wohl ihr Text gegeben habe, wie sie der Jurydiskussion entnehmen habe können. Der Preisgewinn bedeute für sie, dass sie sich jetzt viel mehr dem Schreiben widmen werde können. Auf die Frage, welche konkreten Projekte anstünden, meinte sie, dies stehe jetzt noch nicht fest, "aber ich arbeite sehr gerne mit Humor und mit Irritationen". Neben dem magischen Realismus verhandelt sie in ihren Texten Identitäten, Beziehungen und auch feministische Themen.

Froh über den Kelag-Preis zeigte sich auch Dieter Zwicky, er bedauere es überhaupt nicht, den Bachmann-Preis nicht gewonnen zu haben: "Das hätte mich wahrscheinlich überfordert." Der Kelag-Preis sei seine "heimliche Hoffnung" gewesen, und das Geld könnten er und seine Familie gut gebrauchen. "Überrascht" gab sich auch Julia Wolf, die sich sehr über den 3sat-Preis gefreut habe. Und Stefanie Sargnagel meinte, das Wettlesen wirke in den Medien "viel angsteinflößender als in der Wirklichkeit".

Sharon Dodua Otoo

Sharon Dodua Otoo, 1972 in London geboren, ist Aktivistin, Herausgeberin und Autorin. Die Mutter von vier Söhnen hat ihre Wurzeln in Ghana, sie "lebt und lacht", wie sie selbst sagt, in Berlin, und das seit zehn Jahren. Als Autorin befasst sie sich mit magischem Realismus ebenso wie mit Afrofuturismus.

Otoo studierte Germanistik und Management Studies in London, wo sie 1997 ihren Abschluss machte. Sie ist Aktivisten in der Initiative "Schwarze Menschen in Deutschland", für die sie auch einige Jahre im Vorstand saß. In zahlreichen Artikeln und Kommentaren in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften widmete sie sich diesem Thema.

Sie habe bereits in der Schule Deutsch als Fremdsprache gelernt und habe es "ganz lustig" gefunden, meinte sie. Nach der Matura sei sie dann für ein Jahr als Au-pair-Mädchen nach Hannover gegangen. "Danach habe ich Germanistik studiert." Normalerweise schreibe sie ja auf Englisch, dieser Text sei ein Experiment gewesen, von dem sie nicht geglaubt hätte, dass es jemals öffentlich werde. "Ich habe sehr viel Spaß beim Schreiben gehabt, und auch beim Vorlesen hier in Klagenfurt", sagte sie.

(APA)

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