Dmitrij Gudkow: "In der Duma gibt es keine Idioten"

Gudkow bei einem Protestmarsch der Sozialdemokraten.
Gudkow bei einem Protestmarsch der Sozialdemokraten.imago/ITAR-TASS
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Dmitrij Gudkow, bisher wilder Abgeordneter im russischen Parlament, spricht über seinen Versuch des Wiedereinzugs bei den Wahlen im Herbst. Gudkow tritt nun auf der Liste der Oppositionspartei Jabloko an.

Nachdem Wladimir Putin den Termin für die Duma-Wahlen auf den 18. September festgelegt hat, machen sich die Parteien für den Wahlkampf bereit. Auf Parteitagen wurde in den letzten Tagen über die Kandidatenlisten abgestimmt. Auch die Oppositionsparteien Jabloko und Parnas haben ihre Kandidaten festgelegt. Sie sind nicht in der Duma vertreten und hoffen auf Einzug. Ihre Chancen haben sich real vergrößert, da bei den September-Wahlen die Barriere auf fünf Prozent gesenkt wurde und wieder Einzelmandatare zugelassen sind. 225 Sitze werden über Parteilisten ermittelt, 225 über Direktmandate.

Dmitrij Gudkow, der nach seinem Ausschluss aus der Fraktion der Partei Gerechtes Russland als wilder Abgeordneter in der Duma saß, tritt nun für Jabloko an. Er ist Direktkandidat in einem Moskauer Wahlkreis und schaffte es am Sonntag beim Jabloko-Parteitag auf den zehnten Platz der landesweiten Liste. Angeführt wird diese von Jabloko-Chef Grigorij Jawlinskij, auf ihr finden sich auch der Geschichtsprofessor Wladimir Ryschkow und der Ex-Abgeordnete des Pskower Gebietsparlaments, Lew Schlossberg wieder. "DiePresse.com" hat Gudkow zu seinen Zukunftsplänen befragt.

DiePresse.com: Auf Ihrem Facebookprofil haben Sie vor kurzem geschrieben: „Wollen Sie, dass sich etwas ändert? Nehmen Sie an den Wahlen teil!“ Meinen Sie das wirklich ernst?

Dmitrij Gudkow: Natürlich. In Russland gibt es mindestens 15 Prozent der Bevölkerung, die proeuropäisch stimmen. Das sind besser ausgebildete, gut informierte Menschen, die so genannte Mittelschicht. Diese Menschen nehmen an den Wahlen nicht teil. Diese Bürger müssen verstehen, dass wir nicht so wenige sind und alle an den Wahlen teilnehmen müssen. Die Staatsmacht wird immer die öffentlich Bediensteten und ihre Anhänger mobilisieren. Wir müssen auch unsere Anhänger mobilisieren.

Wie schätzen Sie Ihre Chancen auf einen Dumaeinzug ein?

Ich stelle mich im Moskauer Wahlbezirk Tuschino der Wahl. Da gibt es eine große Proteststimmung.

Wegen des Sommers wurd es nur eine Kampagne...

Das ist gut für mich. In Moskau gibt es viele Studenten, die nirgendwo hinfahren. Ich habe in meinem Wahlbezirk bereits 1000 Freiwillige in vielen Wohnhaus-Stiegen. Stiegen gibt es dort 4500. Wir müssen also noch mehr aufbauen. Wir haben keine Fernsehmacht, daher müssen wir anderweitig ansetzen. Natürlich werde ich Wahlveranstaltungen abhalten, ein Call Center einrichten, Fundraising über das Internet betreiben. Es gibt Vertreter des Business, die die Nase voll haben von dieser Regierung. Wenn es jemandem aus Moskau gelingt zu gewinnen, ist das der Beweis, dass wir weiter gewinnen können. Ich habe die Absicht das zu tun.

Vor einigen Wochen ist die Kooperation zwischen Parnas-Parteichef Michail Kasjanow und Oppositionsaktivist Alexej Nawalny in die Brüche gegangen. Warum ist die Zusammenarbeit in der Opposition so schwierig?

Die junge Generation von Politikern kann nicht ihre eigenen Parteien gründen. Es gibt viele bürokratischen Hürden, die das verunmöglichen. Auch Wahlblöcke sind verboten. Daher gibt es nur zwei Parteien, Parnas und Jabloko, die antreten können. Zwischen ihnen gibt es historische Widersprüche. Ich habe zu allen ein gutes Verhältnis.

Welche Bedeutung haben die Parlamentswahlen überhaupt?

Jede Wahl ist ein Stresstest für das System. Sogar wenn die Opposition nicht gewinnt. Es ist die einzige Periode, in der sich die Bürger für die Politik interessieren, die öffentliche Meinung wird gebildet, die Staatsmacht kritisiert. Jeder Wahlzyklus führt zu einem neuen Resultat. Die Wahlen 2011 haben zu Protesten und den Repressionen im Zusammenhang mit dem Bolotnaja-Platz geführt. Die Staatsmacht hat es sich mit der Mittelschicht verspielt, sie hat die Wirtschaft zerstört und sich mit der ganzen Welt zerstritten. Das alles ist auch ein Resultat der Wahlfälschungen von 2011. Wenn sich nun erneut ein Parlament ohne Opposition formiert, dann ist allen klar, dass der Machtwechsel nicht mittels Wahlen stattfinden wird. Wenn sich die Krise weiter vertieft, der Konflikt mit dem Westen weiter andauert, die Unzufriedenheit innerhalb der Eliten sich steigert, dann sind das gefährliche Entwicklungen mit unklarem Ausgang.

Doch die Bevölkerung scheint das weiterhin hinzunehmen.

Die Kremlpartei Einiges Russland verliert Popularität. Das Thema Krim hat schon ausgedient. Das Volk interessiert das nicht mehr. Die Menschen interessieren die Preise in den Läden, die sinkenden Löhne.

Welche Akzente wollen Sie setzen?

Das Land aus der Krise führen. Die Verantwortlichen zur Verantwortung ziehen. Den Konflikt mit dem Westen beenden. Aufhören, Geld für den Krieg auszugeben. Geld soll stattdessen für Bildung, Gesundheitsversorgung und normale Businessbedingungen ausgegeben werden. Bei den Treffen spreche ich in einfachen Beispielen. Warum muss man die Gegensanktionen abschaffen? Weil deshalb die Tomaten eineinhalb Mal mehr kosten als früher. Wegen der Sanktionen haben die Banken kein frisches Geld, das Business kann sich nicht finanzieren, sie können keine Kredite aufnehmen. Das alles hat Folgen für die Bürger.

Die letzten fünf Jahre saßen Sie in der Duma. Welche Atmosphäre herrschte dort?

Die Atmosphäre ist schlecht. Meine Aufgabe war, diese Atmosphäre zu ändern und den Bürgern zu zeigen, dass es Alternativen gibt. Meine Rolle war, die Situation von innen zu ändern. Es ist ein Kampf um die öffentliche Meinung. Ich habe den Leuten von den verrückten Gesetzen erzählt, die dort angenommen werden.

Sie schreiben viel über diese Dinge auf Facebook. Ist das Ihr einziges Forum?

Auf Facebook, in der Duma, in verschiedenen TV-Kanälen. Ich rede darüber. Ich mache öffentlich, was passiert.

Hat die Duma überhaupt die Möglichkeit das russische System zu reformieren?

Diese Duma nicht. Es ist klar, dass die Entscheidungen nicht in der Duma getroffen werden, sondern im Kreml. Aber wenn der Elite die Politik des Kremls nicht gefällt, dann ist die Spaltung der Elite unausweichlich. Das ist nur eine Frage der Zeit. Und dann könnte auch die Duma weniger abhängig von den Mächtigen werden und eine eigenständige Politik durchführen.

Wie verhalten sich Ihre Abgeordnetenkollegen?

Die Mehrheit ist in Ordnung. Ich tue das, was sie machen möchten, aber nicht können. In der Duma gibt es keine Idioten. Es sind kluge Leute, Geschäftsmänner, aber sie sind Geiseln ihrer Lage. Wenn sie sich nicht entsprechend verhalten, wissen Sie, dass ihnen ihre Firmen abgenommen werden. Wäre es nicht so riskant, würden sich viele Abgeordnete anständig verhalten. Sie können für eine Heldentat nicht ihren Besitz und ihre Familie riskieren.

Sie haben ja auch Familie.

Ich bin bereit Risiken zu tragen. Unser Familienbusiness ist zerstört, meinen Vater hat man aus der Duma gejagt. Aber wir machen weiter. Nicht heldenhaft zu sein ist kein Verbrechen. Ein Verbrechen ist es aber, für das Gesetz von Dima Jakowlew (über das Verbot von Auslandsadoptionen durch US-Bürger, Anm.) zu stimmen. Ich besitze kein Business, war nie an der Macht, habe keine Gelder zu verantworten und gehe regelmäßig in die Duma. Man könnte mir höchstens Drogen unterjubeln oder mich auf einer Brücke erschießen. Für das eine oder andere ist man nicht bereit. Daher ist es einfacher auf die Wahlen zu warten und alles zu tun, damit ich nicht gewinnen kann. Und ich werde alles tun, damit ich gewinne.

Als Boris Nemzow ermordet wurde, was ging Ihnen durch den Kopf?

Unser Risiko ist gestiegen. Aber wir geben nicht auf.

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