Ermittlungen gegen Grazer Amokfahrer abgeschlossen

Archivbild: Trauer nach der AMokfahrt vom 20. Juni 2015 in Graz
Archivbild: Trauer nach der AMokfahrt vom 20. Juni 2015 in GrazAPA/ERWIN SCHERIAU
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Gut ein Jahr nach der blutigen Amokfahrt von Graz hat die Staatsanwaltschaft am Dienstag für den Beschuldigten Alen R. einen Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingebracht.

Es kam wie erwartet: Nachdem ein psychiatrischer Obergutachter den Amokfahrer von Graz, Alen R. (27), für unzurechnungsfähig erklärt hatte, brachte nun die Staatsanwaltschaft Graz bei Gericht einen Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein. Damit sind die Ermittlungen abgeschlossen.

Laut Auskunft der Anklagebehörde stellt sich die rechtliche Situation nun so dar:

"Die Staatsanwaltschaft geht in ihrem Antrag davon aus, dass Alen R. am 20. Juni 2015 bei seiner Amokfahrt durch Graz unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie bzw. wahnhaften Störung, beruht, drei Menschen getötet und über 100 weitere Menschen zu töten versucht hat, indem er mit seinem Fahrzeug mit teils hoher Geschwindigkeit und gezielt auf sie zufuhr und damit erfasste bzw. zu erfassen versuchte, wodurch diese teils tödliche, teils schwere und lebensgefährliche Verletzungen am Körper erlitten."

"Rasche Ausweichbewegungen"

Weiter heißt es wörtlich: "Beim Versuch blieb es nur deshalb, weil die Opfer rechtzeitig medizinisch behandelt wurden oder durch rasche Ausweichbewegungen einen Kontakt mit dem Fahrzeug vermeiden konnten."

Zuvor hatten drei Sachverständige Alen R. begutachtet. Nachdem einer den Mann für zurechnungsfähig und einer für unzurechnungsfähig erklärt hatte, wurde, wie berichtet, ein Obergutachter bestellt. Dieser entschied eben auf Unzurechnungsfähigkeit.

Dazu sagt die Staatsanwaltschaft: "Bei allen drei Sachverständigen bestand jedoch Einigkeit darüber, dass der Beschuldigte die Taten unter dem Einfluss einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades begangen hat und die Gefahr besteht, dass er weitere solche Taten begehen werde."

Zwischen Einweisung und "Lebenslang"

Zur Erklärung: Ein im Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähiger Täter kann für seine Taten zwar nicht bestraft, bei bestehender, seiner Abnormität entspringender Gefährlichkeit aber vom Gericht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden. Für unbestimmte Zeit - konkret: bis zur Heilung der Erkrankung. Schon jetzt ist Alen R. anstelle einer U-Haft in der Justiz-Sonderanstalt Göllersdorf in Niederösterreich untergebracht, wohin er nach dem letzten Gutachten verlegt wurde.

Wäre eine Mordanklage eingebracht worden (davon waren viele Beobachter ausgegangen - vor allem Angehörige von überlebenden Opfern oder auch Hinterbliebene), dann hätte R. mit lebenslanger Haft rechnen müssen. Schon für einen (einzigen) Mordversuch, könnte ein Geschworenengericht die Höchststrafe, eben "Lebenslang", verhängen. 

Das letzte Wort haben nun die Geschworenen beim Prozess. Wann dieser stattfindet, steht noch nicht fest. Die Geschworenen müssen sich nicht zwingend den psychiatrischen Gutachten anschließen.

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