Die Tories haben mit dem Auswahlprozess für das Premierminister-Amt begonnen. Liam Fox ist als erster ausgeschieden.
Ein Machtvakuum hat Großbritannien erfasst. Der Premier zurückgetreten, sein wegen des Brexits logischer, wenn auch umstrittener, Nachfolger, Boris Johnson, will nicht übernehmen. Die Opposition will ihren Chef Jeremy Corbyn loswerden und selbst die Populisten von UKIP müssen ohne ihre Galionsfigur Nigel Farage auskommen.
Da ist die Frage, wer denn das Verinigte Königreich durch die kommenden turbulenten Jahre führen wird, keine nebensächliche. Denn wer auch immer an die Macht kommt, er oder sie bestimmt maßgeblich wie bzw. ob die Verhandlungen mit der EU über den Austritt geführt werden.
Nach dem angekündigten Rücktritt von Premierminister David Cameron beginnt bei den britischen Konservativen die entscheidende Phase bei der Suche nach einer neuen Führung. Die Parlamentsabgeordneten haben am Dienstag das Auswahlverfahren gestartet, um einen neuen Parteivorsitzenden und damit auch einen neuen Premier zu finden. Im ersten Wahlgang der konservativen Abgeordneten erhielt der ehemalige Verteidigungsminister Liam Fox die wenigsten Stimmen. Für ihn votierten lediglich 16 Parlamentarier, wie die BBC am Dienstagabend berichtete.
Diese fünf haben ihren Hut in den Ring geworfen:
- Theresa May, Innenministerin (Remain)
- Andrea Leadsom, Energie-Staatssekretärin (Leave)
- Michael Gove, Justizminister (Leave)
- Stephen Crabb, Arbeitsminister (Remain)
- Liam Fox, Ex-Verteidigungsminister (Leave) - ausgeschieden
Als Favoritinnen gelten Innenministerin TheresaMay und Energie-Staatssekretärin Andrea Leadsom, die auch die Unterstützung von Brexit-Wortführer Boris Johnson hat.
Zunächst werden die Tory-Abgeordneten in mehreren Wahlgängen drei der fünf Kandidaten eliminieren, dies dürfte sich bis in die nächste Woche hinziehen. Am Dienstagabend wird bereits derjehnige mit den wenigsten Stimmen von der Kandidatenliste gestrichen, mit größter Wahrscheinlichkeit wird es Liam Fox treffen. Später müssen die rund 150.000 Parteimitglieder über die zwei Spitzenreiter abstimmen. Bis spätestens September soll dann endgültig klar sein, wer Premierminister(in) wird.
Theresa May
May steht seit sechs Jahren an der Spitze des Innenministeriums. Sollte sie die nächste Regierungschefin werden, will May im Rahmen eines neuen Handelsabkommens mit Brüssel die Einwanderung von EU-Bürgern begrenzen. Das Votum der Briten für einen EU-Austritt sei auch eine deutliche Botschaft gegen die geltende Freizügigkeit gewesen, sagt die Favoritin in der Bewerberschar. Gleichzeitig bekräftigte May, dass es keinen "Zeitraum" für den Brexit gebe. Vor dem Referendum hatte sie für einen Verbleib Großbritanniens in der EU geworben, sie spielte aber während der Kampagne keine prominente Rolle. May empfiehlt sich der zerstrittenen Partei als Figur des Ausgleichs.
Michael Gove
Der 48-jährige Justizminister hat mit seiner Kandidatur für allgemeine Überraschung gesorgt. Der ehemalige "The Times"-Journalist war unter Cameron bis 2014 Bildungsminister, nach der Wahl 2015 leitete er das Justizressort. Gove ist ein enger Freund und langjähriger Weggefährte Camerons - seine Entscheidung, dem Brexit-Lager beizutreten, war ein schwerer Schlag für den Tory-Chef. Im Gespann mit Brexit-Wortführer Boris Johnson galt Gove als der nüchternere, intellektuellere Vertreter der "Leave"-Kampagne. Mit seiner überraschenden Kandidatur als Cameron-Nachfolger erzwang Gove den Verzicht des ehemaligen Londoner Bürgermeisters Johnson auf das Amt. Im Falle seiner Wahl zum Premier will Gove nach eigenen Worten nicht vor dem kommenden Jahr den EU-Austritt einleiten.
Stephen Crabb
Auch wenn er als erster seine Kandidatur bekannt gab, werden dem 43-jährigen Arbeitsminister wenig Chancen auf Camerons Nachfolge eingeräumt. Der Befürworter für einen EU-Verbleib ist erst seit dem Rücktritt von Iain Duncan Smith im März im Amt, davor war er als Minister für Wales zuständig. Crabb stammt aus Wales, er wuchs als Sohn einer alleinerziehenden Mutter in einer Sozialwohnung auf - ein ungewöhnlicher Lebenslauf in einer Partei, die von manchen als elitär kritisiert wird. Seine Kollegen schätzen den bekennenden Christen als liebenswürdig und gewissenhaft, zweifeln aber an seinen Führungsqualitäten.
Andrea Leadsom
Die Staatsekretärin im Energieministerium kündigte ihre Kandidatur auf Twitter unter dem Hashtag #FreshStart (Neustart) und mit der Aufforderung an, das "Beste aus den Möglichkeiten des Brexit" zu machen. Die 53-jährige ehemalige Bankerin und Fondsmanagerin gehörte zu den führenden Vertreter des "Leave"-Lagers. Nach dem Votum vom 23. Juni rief sie zur Feier von Großbritanniens "Unabhängigkeit" auf.
(APA/dpa)