So viel Ignoranz ist schwer zu verstehen

Freuds Heimat vergisst auf die Psychiatrie.

Stark reduzierte Nachtdiensträder, deutlich mehr 12,5- statt 25-Stunden-Dienste und die strikte Vorgabe, Überstunden nach Möglichkeit zu vermeiden. Obwohl der Krankenanstaltenverbund (KAV) nicht müde wird zu betonen, dass diese Maßnahmen getroffen werden, um den Ärzten mehr Freizeit und den Patienten eine qualitativ bessere Behandlung zu ermöglichen, ist der eigentliche Grund dafür offensichtlich – nämlich der (grundsätzlich begrüßenswerte) Wille zu sparen.

Auch um den Preis, dass die Wiener Gemeindespitäler irgendwann nur noch eine Basisversorgung anbieten können und Spezialisierungen zumeist in den privaten, für viele unleistbaren Sektor wandern. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass der Spardruck drei von vier Entscheidungen des KAV erklärt. Was kaum verwundert. Die Stadt häuft Schulden an, überall müssen Kosten reduziert werden.

Aber in Kauf zu nehmen, dass ein prestigeträchtiges Fach wie die Psychiatrie in der Stadt Sigmund Freuds in der Bedeutungslosigkeit verschwinden könnte, weil durch Schließungen von Abteilungen eine adäquate Ausbildung zum Facharzt nicht mehr angeboten werden kann, ist mit Sparsamkeit allein nicht zu erklären. Dazu braucht es mehr, und zwar pure Ignoranz. Nicht nur gegenüber einem ganzen Berufsstand, sondern vor allem gegenüber der Bevölkerung.

koeksal.baltaci@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 06.07.2016)

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