Die Jahrhundert-Talfahrt des Pfunds

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Der Brexit schickt das britische Pfund so tief wie seit 31 Jahren nicht. Als Nächstes steuert die Währung gegenüber dem Dollar wohl ein Allzeittief an. Die Geschichte eines Niedergangs.

Wien. Der französische Dichter Voltaire wusste schon im 18. Jahrhundert: „Papiergeld kehrt irgendwann zu seinem inneren Wert zurück: null.“ Am wahren Kern dieser Aussage hat sich im Grunde nichts geändert, nur wird die kontrollierte Abwertung einer Währung heute als Geldpolitik bezeichnet. Der Unterschied zu Voltaires Zeit? Die Zentralbanken versuchen heute erst gar nicht, die Talfahrt der von ihnen herausgegebenen Währungen zu verschleiern – sie geben sich transparent.

Auffällig wird die Abwertung nur dann, wenn sie aus dem Ruder läuft – wie am Beispiel des britischen Pfunds unter dem Eindruck des Brexit gut zu sehen ist. Die Währung ist am Dienstag auf ein neues Tief gegenüber dem Dollar gefallen, das wir seit 1985 nicht mehr gesehen haben. Seit dem Brexit-Votum am 23. Juni ist das Pfund um rund zehn Prozent gefallen. Ist es in der Nacht des Referendums gegenüber dem Dollar noch auf 1,50 gestiegen, stand es am Dienstag bei nur noch 1,3115. In der Nacht auf Mittwoch rutschte die britische Währung erstmals seit 1985 unter die Marke von 1,30 US-Dollar. Zeitweise kostete ein Pfund nur noch 1,2798 US-Dollar. Geht es nach dem Spekulanten George Soros, könnte das Pfund noch viel weiter fallen – auf bis zu 1,15, was einem Allzeittief gegenüber dem Dollar entsprechen würde. Besonders traurig aus britischer Sicht: Auch der Dollar ist nur Papiergeld, dass sich sukzessive gen Nullpunkt bewegt. Gegenüber Gold hat auch der Dollar in den vergangenen hundert Jahren rund 95 Prozent seines Werts eingebüßt.

Die Diskrepanz zwischen Dollar und Pfund streicht aber zusätzlich den Abstieg Großbritanniens als Weltmacht hervor. „Die wirtschaftliche Größe eines Landes gemessen in anderen Währungen – also etwa in Dollar – ist Indikation für das Vermögen des Landes, international Macht und Einfluss auszuüben“, sagte der US-Ökonom Barry Eichengreen der Nachrichtenagentur Bloomberg. Tatsächlich deckt sich die Talfahrt des Pfund mit der Auflösung des britischen Empires. Das Pfund erlebte seine erste große Abwertung im Jahr 1931. London war nach dem ersten Weltkrieg zum Goldstandard zurückgekehrt, hatte das Pfund aber zu hoch bewertet. Eine fatale Entscheidung.

Weitere Abwertungen folgten 1944, zum Start des Währungssystems von Bretton Woods. 1949 ging es nochmal 30 Prozent abwärts. Ende der 1960er-Jahre musste London sogar den Internationalen Währungsfonds zu Hilfe rufen. Auch in den 1980er-Jahren ging es weiter bergab mit dem Pfund. 1990 wurde die Währung in den europäischen Währungsverbund aufgenommen, musste den Mechanismus aber schon zwei Jahre später wieder verlassen, weil das Pfund mit der Deutschen Mark nicht mithalten konnte. Einer der damals sehr, sehr viel Geld mit Spekulationen gegen das Pfund verdient hat, war George Soros.

Nach dem Brexit ist nicht mehr viel übrig vom einstigen Glanz der britischen Währung. Zwar befindet sich das Pfund noch im Währungskorb des IWF, aber auch als Reservewährung wird das Pfund weiter an Bedeutung verlieren.

Bank of England reagiert

Als Reaktion auf das Brexit-Votum schaltete am Dienstag auch die britische Notenbank auf Krisenmodus um. Die Bank of England warnte vor gravierenden Folgen für die Finanzstabilität des Landes durch das Ja der Bevölkerung zum EU-Austritt. Um die Finanzwelt vor Schlimmerem zu bewahren, lockerte sie mit sofortiger Wirkung die Kapitalregeln für Banken.

Sie müssen vorerst nicht mehr Geld für schlechtere Zeiten beiseitelegen. Dass der bereits beschlossene spezielle Kapitalpuffer bis mindestens Juni 2017 ausgesetzt bleibe, heiße aber nicht, dass die Geldinstitute mehr Spielraum für höhere Dividenden erhielten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2016)

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