Die Reform bringt einen einheitlichen Schein für alle 440 freien Gewerbe und Änderungen beim reglementierten Gewerbe.
Wien. Ganz fertig ist die Reform der Gewerbeordnung zwar noch nicht – sie soll im Herbst in Begutachtung geschickt und noch heuer beschlossen werden. Aber nach der Ministerratssitzung am Dienstag haben Kanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner schon einmal skizziert, in welche Richtung es geht.
Erstens soll ein einheitlicher Gewerbeschein für alle 440 freien Gewerbe – jene, die keinen Befähigungsnachweis erfordern – ausreichen. „Wer im Gewerbe tätig ist, muss derzeit im Schnitt vier andere Gewerbescheine mitschleppen“, sagte Mitterlehner. Künftig soll jeder, der einen Gewerbeschein für ein reglementiertes oder ein freies Gewerbe hat, alle freien Tätigkeiten ausüben dürfen. Zu dieser Gruppe gehören etwa Asphaltierer, Buchverleger, Filmproduzenten oder Inhaber einer Werbeagentur. Hintergrund: Die Anzahl der Gewerbescheine ist im vergangenen Jahrzehnt um 34 Prozent gestiegen, jene der Gewerbetreibenden nur um elf Prozent.
Zweitens wird die Liste der reglementierten Gewerbe, vom Bäcker bis zum Zahntechniker, evaluiert. Die Regierung will den Berufszugang zu jenen rund 80 Gewerben (und 21 Teilgewerben), für die man einen Befähigungsnachweis braucht, vereinfachen. Mitterlehner brachte das berühmte Beispiel vom Nageldesigner, der keine Fußnägel lackieren darf. Das – und anderes – soll sich ändern.
Drittens wird die Genehmigung von Betriebsanlagen mit geringem Gefährdungspotenzial vereinfacht. Das betrifft unter anderem Kaffee- und Gasthäuser, Konditoreien und kleine Hotelbetriebe. Daneben sollen bau-, naturschutz-, wasser- und gewerberechtliche Genehmigungen „aus einer Hand mit einem einzigen Bescheid“ möglich werden. Die Regierung will damit widersprüchliche Behördenauflagen vermeiden und die Verfahrensdauer reduzieren. Wie auch bei der Unternehmensgründung selbst: Die soll in Zukunft über eine einzige Behörde (One Stop Shop) möglich sein.
Vorübergehende Tätigkeiten wie Pop-up-Stores werden außerdem keine Genehmigung mehr nach dem Betriebsanlagenrecht brauchen. Wobei Umwelt- und Arbeitnehmerschutz sowie die Lebensmittelhygiene weiter einzuhalten sind. (pri)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2016)