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Bischof Küng: „Ein Volk mit Zukunft braucht Kinder“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Familienbischof Küng ist entsetzt über eine Feier zum Abtreibungsklinik-Jubiläum. Er fordert die Trennung von abtreibendem und beratendem Arzt und das Einräumen einer Dreitagefrist zur Vermeidung von Panikreaktionen.

„Die Presse“: Sie protestieren gegen eine Wiener Rathausfeier nächste Woche zum 30-Jahr-Jubiläum einer Abtreibungsklinik. Nimmt die Politik das Thema Abtreibung auf die leichte Schulter?

 

Klaus Küng: Ich bin entsetzt, dass der Wiener Bürgermeister diese Idee hat. Das ist wirklich kein Grund zu feiern!

 

Haben Sie mit Bürgermeister Häupl darüber gesprochen?

Küng: Nein, aber ich weiß, dass der Herr Kardinal Christoph Schönborn Kontakt mit ihm aufgenommen hat und auch versucht hat, ihn zu bewegen, davon Abstand zu nehmen. Mir ist aber nicht bekannt, dass eine Reaktion vorliegt.

 

Ist Abtreibung ein Tabu?

Küng: Ich habe seit Jahren den Eindruck, dass es nahezu verboten ist, darüber zu sprechen. Jede Erwähnung ruft fast eine Panikreaktion hervor mit dem Tenor: Die Fristenlösung ist ein Dogma.

 

Wobei Fristenlösung ein relativ verharmlosender Begriff ist, oder?

Küng: Sie haben recht. Ich will Anwalt der Kinder sein. Jedes Kind, das empfangen wurde, ist einmalig, ein – wie Johannes Paul II. einmal gesagt hat – Projekt Gottes. Die Frauen, das zeigt mir auch meine priesterliche und berufliche Erfahrung, werden in einer Notsituation allein gelassen. Jede Abtreibung ist eine Wunde für die betroffene Frau und für die Gesellschaft.

 

Welche Reformen fordern Sie?

Küng: Zunächst einmal jene flankierenden Maßnahmen, die schon Bruno Kreisky versprochen hat: die Trennung von abtreibendem und beratendem Arzt sowie das Einräumen einer Dreitagefrist wie in Deutschland zur Vermeidung von Panikreaktionen. Dringenden Handlungsbedarf gibt es bei der pränatalen Diagnostik. Wenn eine Familie erfährt, dass Verdacht auf Missbildung beim ungeborenen Kind besteht, dann gerät sie in eine dramatische Entscheidungssituation. In Österreich ist Abtreibung im Falle des bloßen Verdachtes bis zum neunten Monat straffrei. Das ist furchtbar.

 

Ist der Druck, ein Kind nicht zu bekommen vielleicht schon höher als der, eines zu bekommen?

Küng: Ja – etwa vom Partner. Das sollte eine Sanktion nach sich ziehen. Bei jungen Mädchen habe ich erlebt, dass Eltern Druck ausüben, oft ist es auch der Arbeitgeber.

 

Aber ein Verbot würde Frauen in die Illegalität drängen.

Küng: Man müsste sich Gedanken machen, wie man das Ja zu Kindern fördern könnte. Mir scheint ein neues Denken nötig: Geld, Wohlstand, Karriere bringen nicht immer die Erfüllung. Jedes Kind ist ein Schatz – natürlich auch für die Gesellschaft. Wir brauchen Persönlichkeiten, die verantwortungsbewusst und fähig zu Solidarität sind. Das lernt man in der Familie mit Kindern. Dazu muss es auch vernünftige Rahmenbedingungen geben. Es geht um Anerkennung der Kindererziehung – im Sinne eines Müttergehaltes, auch wenn ich diesen Begriff nicht schätze.

Wobei es ja Kindergeld und bald ein einkommensabhängiges Karenzgeld gibt. Ist das nicht genug?

Küng: Das geht in die richtige Richtung. Allerdings fehlt mir die gezielte Förderung der Familie mit ihrem stabilen Charakter auf Grundlage der Ehe. Kinder brauchen für das Reifen ihrer Persönlichkeit Mutter und Vater. Das liegt auch im größten Interesse des Staates. Natürlich darf man dabei nicht auf die Not der Alleinerzieher vergessen.

 

Die FPÖ will, dass Familienleistungen für Einheimische reserviert sein sollen. Was halten Sie davon?

Küng: Jedem hier Lebenden steht die entsprechende Förderung zu, ohne auf die Herkunft zu achten. Gleichzeitig halte ich es für unbedingt notwendig, dass wir Österreicher und Europäer umdenken und uns bewusst machen: Ein Volk mit Zukunft braucht Kinder.

 

Besteht die Gefahr, dass die christlich geprägte Kultur ausstirbt?

Küng: Es kommt zu einem massiven Umbau, besonders in großen Städten. Da müssen wir schon überlegen: Wollen wir das, welche Konflikte kommen da auf uns zu?

 

Im Islam ist die Trennung von Staat und Kirche im Gegensatz zu unserem System nicht aufgehoben. Wie gefährlich ist das?

Küng: Das ist in der Tat eine Gefahr. Auch wir Österreicher hatten in früheren Zeiten ein Staatskirchentum mit manchen Gefahren. Wir mussten durch schmerzhafte Erfahrung den Weg zur Freiheit der Religion und zur Regelung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat finden. Im Islam scheint mir diesbezüglich noch ein gutes Stück Entwicklung anzustehen.

 

Es gibt heftige Diskussionen darüber, dass die westliche Welt ihren eigenen, katholischen Traditionen gleichgültig gegenübersteht und eine falsch verstandene Toleranz jenen gegenüber aufbringt, die unsere Werte untergraben wollen.

Küng: Einerseits erfüllt mich täglich die Schwäche des Christseins in unseren Wohlstandsländern mit Sorge. Andererseits gilt meines Erachtens für das Thema Toleranz: Sie muss gegenseitig sein, und es muss eine gewisse Garantie geben, dass sie auch dann gewährt wird, wenn sich die Größenverhältnisse der Bevölkerungsanteile ändern.

 

Was sagen Sie dazu, dass der FPÖ-Landeschef den deutschstämmigen Direktor des Jüdischen Museums Hohenems als „Exiljuden aus Amerika“ bezeichnete?

Küng: Das ist eine verbale Entgleisung, die nicht passieren darf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2009)