Diplomatischer Protest: "Ungarn kontrolliert zu Unrecht"

Innenminister Sobotka sieht die österreichischen Kontrollen hingegen gerechtfertigt.
Innenminister Sobotka sieht die österreichischen Kontrollen hingegen gerechtfertigt.APA/ERWIN SCHERIAU
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Nach den kilometerlangen Staus an der ungarischen Grenze beorderte Innenminister Sobotka den ungarischen Botschafter ins Innenministerium.

Österreich hat den ungarischen Botschafter in Wien, für heute, Mittwoch, als Form des diplomatischen Protests zu einem Gespräch ins Innenministerium eingeladen. Das sagte Innenminister Wolfgang Sobotka in der Sendung "Report" des ORF-Fernsehens am Dienstagabend. Grund sind neue Kontrollen der ungarischen Polizei bei der Einreise ins Nachbarland, die auf österreichischer Seite zu Staus geführt haben.

Sobotka kritisierte die ungarischen Kontrollen scharf: "Ungarn kontrolliert zu Unrecht." Es bestehe für Ungarn im Gegensatz zu Österreich nämlich nicht die Möglichkeit, nach Paragraf 29 der Schengen-Verordnung zur Wiedereinführung von Kontrollen an Schengen-Binnengrenzen (bei außergewöhnlichen Umständen für bis zu zwei Jahre) zu kontrollieren, sagte er.

Die Kontrollen auf österreichischer Seite, die am gestrigen Mittwoch ebenfalls zu einem Lkw-Stau auf der Ostautobahn (A4) im Burgenland führten, rechtfertigte der Innenminister demgegenüber: "Es werden täglich in Lastwagen und anderen Gefährten Schlepper bemerkt, die Leute herüberbringen. Daher haben wir die Grenzkontrollen ganz dicht gemacht."

Ungarn müsse sich an Dublin-Regeln halten

Ungarn nimmt keine Asylwerber gemäß der europäischen Dublin-Verordnung zurück. Zu diesem Umstand sagte Sobotka: "Es ist nicht einsichtig, dass sich ein Land der Europäischen Union aus dem Dublin-Verfahren verabschiedet", und sage, was für alle andere gelte, "gilt nicht für mich". Bundeskanzler Christian Kern habe angekündigt, mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban "zu klären, dass Ungarn zurücknimmt".

Auf die Frage, ob man sich auf solche, durch die ungarischen Grenzkontrollen verursachte Staus wird einstellen müssen, antwortete der Minister, dass man auf die Reaktion Ungarns nach den Gesprächen im Innenministerium abwarten müsse.

Die ungarische Regierung hatte unterdessen am gestrigen Dienstag verlautbart, im Kampf gegen die illegale Migration ein "neues Grenzschutzsystem" an den Schengen-Außengrenzen zu Kroatien und Serbien einzurichten. Wie Orbans Heimatschutz-Berater György Bakondi laut einer Regierungs-Aussendung in Szeged sagte, seien die neuen Maßnahmen bereits seit Montagmitternacht in Kraft. Die Maßnahmen dienten der öffentlichen Sicherheit und würden verhindern, "dass Hunderttausende Menschen das Territorium der Europäischen Union betreten, 'ohne dass wir irgendetwas davon wissen' über ihre Identität, Ziele und weiteren Pläne".

"Neues Grenzschutzssystem"

Das "neue Grenzschutzsystem" sieht insbesondere vor, dass Flüchtlinge und Migranten, die in einer acht Kilometer breiten Zone im Inland angehalten werden, von der Polizei verwarnt werden. Haben sie sich keines Verbrechens schuldig gemacht, werden sie zum Grenzzaun gebracht und durch ein Grenztor in die nächste Transitzone. Dort können sie einen Asylantrag stellen. Personen, die nachweislich den Grenzzaun überwunden oder beschädigt haben oder der Schlepperei verdächtig sind, bleiben weiter in Polizeigewahrsam.

UN-Flüchtlingshochkommissariat übt Kritik

Daran kommt nun auch Kritik vom UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR). Dass Flüchtlinge von den ungarischen Behörden ohne irgendein Verfahren abgeschoben werden, verletze die Grundrechte dieser Menschen, sagte Simon Ernö, Sprecher des Budapester Büros des UNHCR am Mittwoch dem Sender Klubradio. Ähnliche Vorwürfe äußerte auch das Ungarische Helsinki-Komitee.

Laut dem ungarischen Polizeichef Karoly Papp versuchten zwischen Montagmitternacht und Dienstagmittag 826 Menschen, illegal nach Ungarn einzureisen. In 675 Fällen sei das verhindert worden. In 151 Fällen seien die Personen in der Acht-Kilometer-Zone im Inland angehalten und zur Grenze zurückgebracht worden. Seit fast genau einem Jahr beteiligt sich die ungarische Armee am Grenzschutz.

(APA)

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