In Deutschland findet ein Machtkampf in der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) statt.
Wien/Berlin. Im Wahlkampf in Baden-Württemberg standen die Koparteichefs der Alternative für Deutschland (AfD) auf Stadtplätzen und in Turnsälen vor vier Monaten Seite an Seite, unverbrüchlich und vereint in ihrer politischen Mission gegen die Volksparteien und die „Völkerwanderung“. Sie folgten einer Arbeitsteilung: Jörg Meuthen gab als Spitzenkandidat den Anheizer, Frauke Petry war die Attraktion bei den Kundgebungen.
Nach dem Wahlerfolg zeichneten sich bald die ersten Risse in der Parteiführung ab, und im Fall des umstrittenen baden-württembergischen Abgeordneten Wolfgang Gedeon kam es jetzt zu einem Bruch in der Landespartei, der auch die persönlichen Animositäten offenlegt und die Spaltung auf Bundesebene forciert – und das alles nur ein Jahr nach einem Machtkampf an der Parteispitze, dem erzwungenen Abgang des Parteigründers Bernd Lucke und der Absplitterung der Lucke-Parteigänger.
Entzündet hatte sich der Konflikt an antisemitischen Äußerungen Gedeons. Er hatte unter anderem den Holocaust verharmlost und sollte deshalb aus der Partei ausgeschlossen werden, worauf sich ein peinliches Gezerre entwickelte. Ein Gutachten attestierte Gedeon tatsächlich Antisemitismus, eine Zweidrittelmehrheit für seinen Ausschluss kam in der AfD-Fraktion in Baden-Württemberg indes nicht zustande. Meuthen und zwölf Mitstreiter verließen die Sitzung. Das Chaos ist nun perfekt, Meuthen ramponiert und die Fraktion muss sich neu konstituieren.
Ein Trio gegen ein Duo
Schließlich eilte Frauke Petry ohne Meuthens Wissen nach Stuttgart, um den Streit zu schlichten – und ihren Ko-Chef zu düpieren. Am Ende trat Gedeon aus freien Stücken zurück. Die Affäre hat die Meuterei gegen Petry allerdings von Neuem angestachelt. Meuthen, Vizechef Alexander Gauland und Thüringens Parteichef, Björn Höcke, sticheln offen gegen Petry und ihren Lebensgefährten, Marcus Pretzell, den Parteichef in Nordrhein-Westfalen. Die Eigenmächtigkeit, die sie einst Lucke vorgeworfen haben, kritisieren sie nun bei Petry und Pretzell. Die AfD kommt nicht zur Ruhe, die Zwistigkeiten erinnern an die Gründungsjahre der Grünen. (vier)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2016)