Auch Lampenschirme sollte die EU verbieten

Die Bürger sind zu dumm für eigenverantwortliches Handeln. Aber dafür haben wir ja unsere Politiker.

Ab Dienstag beginnt im europäischen Handel das stufenweise Verkaufsverbot für herkömmliche Glühbirnen. Es beruht auf einer Verordnung der EU-Kommission vom März dieses Jahres – ein Musterbeispiel dafür, was in den nationalen Regierungen und in Brüssel schiefläuft. Und zwar so, dass man durchaus beunruhigt sein darf über den Schindluder, der mit der europäischen Idee getrieben wird.

Beginnen wir mit der Legitimität dieser Verordnung. Herkömmliche Glühbirnen haben wirklich eine schlechte Energieeffizienz. Sie heizen mehr, als sie leuchten. Sie werden aber vor allem wegen ihrer Lichtqualität geschätzt, die von ihren Alternativen nicht erreicht wird. Die Glühbirne ist damit ein Einrichtungsgegenstand wie viele andere auch, bei dem eine besondere Qualität besondere Kosten verursacht. Trägt der Verbraucher diese Kosten nicht selbst, wäre das gelindeste Mittel eine Energiesteuer auf Glühbirnen. Darüber wurde jedoch, wie aus den Unterlagen der Kommission hervorgeht, nicht einmal nachgedacht.

Stattdessen: verbieten! Die Entscheidung, ob das schönere Licht den höheren Aufwand wert ist, hat also die Kommission für uns alle getroffen. Das ist Entmündigung, und erst ihr Beginn. Lampenschirme machen Glühbirnen auch weniger energieeffizient – verbieten! Geschirrspüler sind weniger energieeffizient als ein geübter Mensch – verbieten! Flachbildschirme – verbieten! Vorhänge vor der Heizung? Gefängnis! Schnitzel muss bei selbem Nährwert heißer gekocht werden als Grießbrei? Kommt auf den Index.


Und wenn Ihnen jetzt jemand sagt, „die EU verbietet die Glühbirnen ja gar nicht, sie legt nur Grenzwerte für die Energieeffizienz fest“, dann wissen Sie, dass Sie für dumm verkauft werden. Für blöd hält uns zum Beispiel Andris Piebalgs, der zuständige Energiekommissar. Er sagte am 11. Februar in einer Anfragebeantwortung wörtlich: „Der Verordnungsentwurf über Haushaltslampen wird Glühlampen nicht verbieten.“ Sein nächster Satz: „Er wird Energieeffizienzanforderungen an alle Haushaltslampen einführen. Glühlampen können diese Anforderungen nicht erfüllen..., daher werden sie aus dem Markt genommen.“

Und zu den Begründungen für den Schritt der EU-Kommission: Ob die Energiesparlampen angesichts ihrer teureren Erzeugung und vor allem Entsorgung (wegen giftiger Inhaltsstoffe Sondermüll!) wirklich um so vieles effizienter sind, kann man aus der von der Kommission „gemeinsam mit Interessengruppen und interessierten Kreisen aus der Gemeinschaft und aus Drittländern konzipierten Studie“ (Verordnungstext) nicht herauslesen. Auch deshalb, weil diese Studie auf der Homepage der Kommission gar nicht auffindbar ist. Es gibt nur lange Berechnungen, bei denen die angenommene Energieeinsparung bereits vorgegeben ist. Als „Schätzung“ – dennoch weiß die Kommission in ihrer Presseaussendung zum Beschluss der Verordnung definitiv, dass das Ganze 15 Millionen Tonnen CO2 einsparen „wird“ (nicht „könnte“).

Stutzig macht auch, dass der Lampenherstellerklub (sieben Unternehmen teilen sich 95 Prozent der europäischen Produktion) nicht einmal leise aufgeregt hat. Freut er sich auf schöne Mehreinnahmen? Was bedeuten würde, dass zwar die Glühbirnen, nicht aber unsere Euros an Energieeffizienz gewinnen.


Mag trotzdem sein, dass alles zu unserem Besten ist. Das zu diskutieren gibt es ja ausreichend politische Ebenen. Oder nicht? Die Kommission hat die Verordnung ohne weitere Einbindung gewählter Volksvertreter beschlossen. Muss sie auch nicht. Die nationalen Zustimmungen gab der nahezu anonyme Ökodesign-Regelungsausschuss, in dem Österreich durch einen Beamten des Wirtschaftsministeriums vertreten ist. Mehr nationale Befassung oder Verständigung des Wahlvolks hat es nicht gegeben. Und das Europäische Parlament? Hat in einem Unterausschuss eine Abstimmung zu dem Thema abgelehnt. Die nationalen Minister hätten was tun können, aber die haben der Kommission 2005 mit der Ökodesignrichtlinie freie Hand gegeben und sich seitdem aus der Diskussion verabschiedet.

Wenn Sie also das nächste Mal im Glühbirnenregal ins Leere greifen, halten Sie eine kurze Gedenkminute für den alten Geist der europäischen Einheit, die einst als stabiler Rahmen unserer Freiheit konzipiert war. Eine Politik, die darauf gründet, dass die Wähler zu dumm für verantwortliches Handeln sind, und die in einem daher undurchschaubar gehaltenen Biotop zu wuchern beginnt, ist der Totengräber der europäischen Idee. Danke, liebe (damals) zuständige Minister Mitterlehner und Pröll!


michael.prueller@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2009)

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