Der BND darf die EU nicht mehr ausspionieren

 Der neue Chef des deutschen Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, wird ein Aufsichtsgremium akzeptieren müssen.
Der neue Chef des deutschen Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, wird ein Aufsichtsgremium akzeptieren müssen. (c) REUTERS
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Ein Bericht des deutschen Bundestags legt den Umfang der umstrittenen Abhöraktionen des Nachrichtendienstes offen. Ein vorbereitetes Gesetz führt nun Beschränkungen ein.

Berlin. Neue Details zum Umfang der bis Oktober 2013 laufenden Abhöraktionen des Bundesnachrichtendienstes (BND) könnten für Deutschland zu weiteren diplomatischen Verwerfungen führen. Denn laut einem Bericht des Bundestagsgremiums zur Kontrolle der deutschen Geheimdienste wurden mehrere Dutzend Regierungsstellen anderer EU-Mitgliedstaaten – darunter einige Staats- und Regierungschefs – abgehört. Auch Minister und deren Umfeld, Botschaften sowie militärische Einrichtungen wurden ausspioniert. Betroffen war, wie bereits vergangenes Jahr aufgedeckt wurde, auch das österreichische Innenministerium.

Der BND agierte gegen insgesamt 3300 Ziele mit EU- und Nato-Bezug. Dazu kamen eine zweistellige Zahl an Organisationen und Einrichtungen sowie Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Auch Medien wurden laut dem Bericht überwacht. Der Umfang ist noch größer als nach dem ersten Bekanntwerden im vergangenen Jahr zu erwarten war. Damals berichteten deutsche Medien von Lauschangriffen etwa auf das französische Außenministerium und die EU-Kommission.

Nun wird ersichtlich, dass neben der systematischen Kontrolle von Partnerstaaten und EU-Einrichtungen auch zahlreiche Einzelpersonen ins Visier der Ermittler genommen wurden. Der BND hat zu diesen neuen Erkenntnissen noch keine Unterlagen zur Verfügung gestellt. Auch die Namen aller NGOs, die vom Nachrichtendienst observiert wurden, sind bisher nicht bekannt. Bereits vor Monaten gab es Hinweise, dass etwa die Entwicklungs- und Hilfsorganisation Oxfam und das Rote Kreuz betroffen waren.

Für die Bundesregierung in Berlin ist das Bekanntwerden solcher Details unangenehm. Es wird damit gerechnet, dass Partnerstaaten weitere Informationen darüber einfordern, welche ihrer Einrichtungen betroffen waren. Als einst die NSA-Affäre publik wurde, äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch selbst Kritik an den USA: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.“ Der neue Bericht bestätigt nun erstmals umfassend, wie Deutschland in ähnlicher Weise mit engen Partnern umgegangen ist.

Das Bundestagsgremium kam zum Schluss, dass viele BND-Lauschangriffe „selbst bei wohlwollender Betrachtung“ ungerechtfertigt gewesen seien. Es gebe „keine Hinweise, dass im BND zu irgendeinem Zeitpunkt der erhoffte Informationsgewinn gegen das politische Risiko der Maßnahme abgewogen wurde“. Im Bericht ist ein Empfehlungskatalog mit neun Punkten enthalten. Betont wird insbesondere: „Zukünftig muss sichergestellt sein, dass der Schutz sensibler Ziele . . . sowie der Schutz von EU-Bürgern und EU-Einrichtungen . . . gewährleistet bleiben.“

Neuer Chef, neue Regeln

Nach dem Bekanntwerden der ausufernden Lauschangriffe und der Einleitung von Untersuchungen wurde der langjährige BND-Chef Gerhard Schindler ohne Angaben von Gründen in Frühpension geschickt. Außerdem wurde von der Bundesregierung ein Gesetzesentwurf zur besseren Überwachung des Geheimdienstes erarbeitet. Er liegt seit Ende Juni vor. Demnach dürfen die Kommunikation von Einrichtungen der EU, öffentlicher Stellen von EU-Partnerstaaten sowie einzelne EU-Bürger nur noch in wenigen Ausnahmefällen überwacht werden, etwa im Fall terroristischer Bedrohungen. Wirtschaftsspionage soll dem Dienst künftig ausdrücklich verboten werden.

Der neue Chef des Geheimdienstes, Bruno Kahl, hat Erwartungen an mehr Offenheit des Dienstes allerdings bereits kurz nach seiner Amtsübernahme gedämpft. „Geheimer Nachrichtendienst und totale Transparenz schließen sich aus.“ Die Freiheiten, die sein Vorgänger noch hatte, werden Kahl allerdings nicht mehr zuerkannt. Der BND soll ein Aufsichtsgremium erhalten, das aus Vertretern des Bundesgerichtshofs und der Generalbundesanwaltschaft besteht. Dieses Gremium soll regelmäßig alle Maßnahmen im Ausland auf ihre Notwendigkeit überprüfen. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2016)

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