Die Welt ist voller Pikachus – und voller Gefahren

Illustration of the augmented reality mobile game ´Pokemon Go´
Illustration of the augmented reality mobile game ´Pokemon Go´(c) REUTERS (SAM MIRCOVICH)
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Das Smartphone-Spiel „Pokémon Go“ zaubert niedliche Monster in die echte Welt und begeistert damit die Massen. Nicht ohne Nebenwirkungen.

Eines der Merkmale, die laut WHO auf ein Abhängigkeitssyndrom hindeuten, ist das Vernachlässigen anderer Pflichten und Interessen. Seit einigen Tagen evoziert nun ein neues Smartphone-Spiel weltweites Suchtverhalten. Es heißt „Pokémon Go“, und es lässt die Sehnsucht, die die findigen Strategen des japanischen Pokémon-Franchise schon vor 20 Jahren in die Welt gesetzt haben, wieder aufleben: Wie schön wäre es doch, wenn es diese niedlichen Anime-Monster, die wachsen und gegeneinander kämpfen können, wirklich gäbe, wenn man sie da draußen suchen, einfangen, großziehen könnte!

Augmented-Reality-Technologien machen das nun zwar nicht möglich, aber sie lassen die Sache schon wirklicher erscheinen, als es in den 1990ern Fernsehserie und Gameboy-Spiele vermocht haben. Mit der App „Pokémon Go“, die in den USA, Australien und Neuseeland vorige Woche veröffentlicht wurde (der offizielle Europa-Start soll bald folgen), bewegt man sich durch die echte Welt und kann dabei (mittels GPS und Handykamera) an jeder Ecke Kreaturen fangen. Denkmäler oder wichtige Gebäude der realen Stadt sind in der virtuellen Parallelwelt Pokéstops oder Arenen, in denen man seine Vorräte auffüllen oder gegen andere Spieler kämpfen kann.

Nun ist weder die Grundidee noch die Technologie hinter dem Spiel neu. Die Entwicklerfirma, die ehemalige Google-Tochter Niantic, hat davor mit Ingress ein ganz ähnliches Spiel geschaffen, das Gamer aus ihren Wohnungen gelockt hat, um sogenannte Portale (also Statuen, Haltestellenhäuschen, Graffiti) zu „erobern“. „Pokémon Go“ ist bunter, verspielter – und begeistert die Massen, 7,5 Millionen Spieler sollen es bereits sein.

Womit wir beim Suchtpotenzial und dem Vernachlässigen anderer Pflichten und Interessen wären. Beispiele dafür gibt es nämlich zuhauf: Manche vernachlässigten im Eifer des Pokémon-Sammeltriebs die eigene Sicherheit (und ließen sich von bewaffneten Räubern zu abgelegenen Pokéstops locken). Andere vernachlässigten berufliche Standards (auf einem Twitter-Foto der US Marine Corps taucht ein Pikachu inmitten einer Schießübung auf), die Grenzen ihrer körperlichen Fitness (zahlreiche Twitter-Nutzer berichten nach mehrstündigen „Pokémon Go“-Ausflügen von Muskelkater in den Beinen) oder gar die Geburt des eigenen Kindes – aber was hätte der werdende Vater auch tun sollen, als im Kreißsaal auf einmal ein Taubsi herumflatterte? (Er fing es und stellte ein Foto ins Netz.)

Ich bin beim Testen des Spiels vor dem Redaktionsgebäude selbst fast mit einem Kollegen zusammengeprallt. Schuld war ein Rattfratz auf dem Gehsteig, das sich nicht gleich fangen ließ. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, meine App teilt mir mit, dass sich neben meinem Schreibtisch gerade ein Schiggy befindet . . .

E-Mails an:katrin.nussmayr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2016)

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