Finale im Großprozess um IS-Terror in Graz

STEIERMARK: PROZESS GEGEN MUTMASSLICHE JIHADISTEN IN GRAZ
STEIERMARK: PROZESS GEGEN MUTMASSLICHE JIHADISTEN IN GRAZ(c) APA/ERWIN SCHERIAU (ERWIN SCHERIAU)
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In der Verhandlung gegen den Prediger Mirsad Omerovic soll heute, Mittwoch, das Urteil fallen. Der früher in Wien als Religionslehrer tätige Mann soll zu Terrormorden angestiftet haben.

Wien. Gemessen an der Schwere der Vorwürfe ist es Österreichs bisher größter Prozess rund um die Terrororganisation IS (Islamischer Staat): Im Mittelpunkt steht der aus dem südwestserbisch-bosnischen Grenzgebiet stammende Salafistenprediger Mirsad Omerovic (34), der unter anderem in Wien und Graz tätig war. Ihm wirft die Anklage Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation vor. Zudem – und dieser Vorwurf sticht heraus: Omerovic soll 2013 zur schwersten terroristischen Straftat, nämlich zum Mord, begangen an syrischen Zivilisten, aufgefordert haben.

Eine Opferzahl nennt die Anklage nicht. Die Formulierung ist in diesem Punkt vage („nicht näher bekannte Anzahl von Männern und Frauen“). Die Tatsache, dass vier Angriffe von IS-Terroristen in der Anklage aufgelistet werden und in zwei Punkten davon insgesamt (gezählte) zehn Opfer genannt werden, lässt aber darauf schließen, dass der Staatsanwalt von Dutzenden Toten ausgeht. Einer der Männer, die unmittelbar an den Morden beteiligt gewesen sein sollen, der Tschetschenien-Flüchtling Mucharbek T. (28), steht nun (der Prozess läuft seit Februar) gemeinsam mit Omerovic vor den Geschworenen im strengstens bewachten Grazer Landesgericht.

Beide Männer bekennen sich nicht schuldig. Omerovic gibt an, nie Kämpfer für den IS rekrutiert zu haben – ja, den Hörern seiner Predigten sogar von einem IS-Anschluss abgeraten zu haben.

Der in Saudiarabien ausgebildete Prediger, der in der internationalen Salafistenszene unter seinem Predigernamen Ebu Tejma auch im Internet zu zweifelhafter Berühmtheit gelangte, hatte als islamischer Religionslehrer in einer (mittlerweile geschlossenen) ägyptisch-österreichischen Volks- und Hauptschule unterrichtet. Dies hatte den Staatsanwalt (sein Name soll aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden) am Beginn des Prozesses zu dieser Äußerung veranlasst: „Der Mann war Lehrer in Wien. Ich verstehe das überhaupt nicht. Das ist in Wien möglich.“

Zeugen ohne Erinnerung

Am Dienstag, bei Fortsetzung des Prozesses, standen Auftritte von Zeugen im Mittelpunkt, die von Omerovic-Anwalt Jürgen Stephan Mertens beantragt worden waren. Einer erklärte, er habe zwar die Predigten von Omerovic via Internet verfolgt, kenne den Prediger aber nicht näher. Der Staatsanwalt hielt dem Zeugen vor, dass dieser laut Ermittlern die Telefonnummer des Predigers weitergegeben habe und sagte: „Sie sind einer von denjenigen, die die jungen Leute nach Syrien geschickt haben.“ Eine jener Personen, an die der Mann die Telefonnummer weitergegeben haben soll, ist dessen eigene Schwester. Die Frau leugnete als Zeugin, den Prediger überhaupt zu kennen, obwohl sie häufig in einer der Moscheen war, in der auch Omerovic ein und aus ging.

„Sie riskieren, eingesperrt zu werden, vor wem fürchten Sie sich so?“, fragte der Staatsanwalt. Doch die junge Frau blieb trotzig bei ihren Angaben.

Heute, Mittwoch, sollen sich die Geschworenen zur Urteilsberatung zurückziehen. Im Falle von anklagekonformen Schuldsprüchen droht bis zu lebenslange Haft.

LEXIKON

259 Akten führte der Staatsschutz (BVT) mit Ende 2015 über Personen, die von Österreich in den Jihad zogen. Nach 59 Ausreisen im Vorjahr und 136 im Spitzenjahr 2014 fällt heuer aber auf, dass diese „Wanderung“ fast zum Erliegen gekommen ist. Interessant: Bereits nach der Festnahme von Mirsad Omerovic im Herbst 2014 ging die Zahl der Neuausreisen deutlich zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2016)

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